Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

83 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts. 45 
mann 107). Dieses ist zwar italienisches Landesgesetz und als solches 
ohne völkerrechtliche Bedeutung. Das Gesetz ist aber die Erfüllung einer 
von der italienischen Regierung (Rundschreiben Visconti-Venostas vom 
18. Oktober 1870) gegebenen Zusage und bindet daher Italien den Mäch- 
ten gegenüber. Nach dem Gesetz wie auch infolge der Anerkennung 
des Gesetzes durch die übrigen Mächte ist der Papst nicht Untertan Ita- 
liens oder irgendeines anderen Staates, sondern exterritorial oder extra- 
national; er genießt ferner eine Reihe von Befugnissen, die, wie das 
aktive und passive Gesandtschaftsrecht, sonst nur den souveränen Staaten 
zustehen und übt diese Befugnisse unter Zustimmung der Mächte ungestört 
aus: aber es fehlt ihm (anders zur Zeit des Kirchenstaates) das Staatsgebiet 
wie das Staatsvolk, und damit die Staatsgewalt. Alle die Eigentümlich- 
keiten seiner- bevorrechteten (quasiinternationalen) Stellung vermögen 
das Fehlen dieser Merkmale nicht zu ersetzen. Daher stehen die von 
den Mächter. mit dem Papst geschlossenen Verträge (Konkordate) nicht 
unter den Regeln des Völkerrechts; daher hat ferner der Papst keinerlei 
völkerrechtliche Ansprüche, insbesondere keinen Anspruch darauf, zu 
den Staatenkongressen geladen zu werden. Der Weltkrieg hat gezeigt, 
daß durch das Garantiegesetz weder die Stellung des Papstes noch die 
Interessen der mit ihm in diplomatischen Beziehungen stehenden Staaten 
genügend gewährleistet werden. Von päpstlicher Seite wird die Abhilfe 
nicht in der Internationalisierung des italienischen Gesetzes, sondern 
in der Wiederherstellung des Kirchenstaates (mit „kleinem Territorium‘) 
erblickt. 
6. Staatsteile (Provinzen, Kreise, Gemeinden) mit Einschluß 
der Kolonien. Auch sie sind zwar Gebietskörperschaften; aber nicht 
selbstherrlich und daher nicht Rechtssubjekte des Völkerrechts. Sehließt 
z. B. England mit den Niederlanden einen Vertrag, der ausschließlich 
die Beziehungen zwischen Britisch-Guayana und Niederländisch-Guayana 
regelt, so werden doch nur die beiden vertragschließenden Staaten, nicht 
ihre unmittelbar interessierten Kolonien aus dem Vertrage berechtigt 
und verpflichtet. Ausnahmen sind denkbar, soweit das Mutterland den 
Kolonien, wie etwa Großbritannien den dominions, die selbständige 
Ausübung von Hoheitsrechten übertragen hat. 
Ullmann 118. Gidel, R.G. XVIII 589. Jenny, Ist der Papst Subjekt des 
Völkerrechts? Leipziger Diss. 1910. Wehberg, Das Papsttum und der Welt- 
friede. 1915. Lulvös, Die Stellung des Papsttums im Weltkrieg. 1916. (Der 
deutsche Krieg, Nr. 76.) Hier auch die reiche, während des Krieges erschienene 
Literatur. Derselbe, Deutsche Revue Dezember 1916. Müller, Die völker- 
rechtliche Stellung des Papstes und die Friedenskonferenzen. 1916. — Die Ein- 
ziehung des Palazzo Venezia, des Hauses der österr.-ungarischen Botschaft beim 
Vatikan (1917) war eine klare Verletzung des internationalen wie des nationalen 
Rechts.
	        
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