$ 5. Die Staaten als Rechtssubjekte des Völkerrechts. 47
Nicht sein Dasein als Staat, sondern sein Eintritt in die Völker-
rechtsgemeinschaft ist durch die Anerkennung bedingt. Die Anerken-
nung setzt voraus, daß der um den Eintritt in die Völkerrechtsgemein-
schaft sich bewerbende Staat die Gewähr für die Beachtung der völker-
rechtlichen Rechtsnormen bietet. Ist diese Voraussetzung gegeben, so
ist die Legitimität der Staatsgründung nicht weiter zu prüfen; auch
der auf dem Wege der Gewalt, etwa durch bewaffnete Losreißung vom
Mutterlande, entstandene Staat hat Anfispruch auf die Anerkennung.
Die Anerkennung bindet die Staaten, von denen sie ausge-
sprochen worden ist. Sie bindet vor allem auch das Mutterland, das
durch die vorbehaltlose Anerkennung auf die Geltendmachung der
Rechte verzichtet, die durch die Neubildung verletzt worden sind.
Die Anerkennung kann ausdrücklich, so in feierlicher Weise auf
Kongressen, oder auch stillschweigend, so durch Anknüpfung oder
Unterhaltung diplomatischer Beziehungen geschehen. Beispiele bieten:
die Anerkennung des Kongostaates (oben 5.43) durch die Berliner
Kongokonferenz von 1885; die Anerkennung von Montenegro, Serbien,
Rumänien durch den Berliner Kongreß von 1878. Sie kann unbedingt
erfolge oder an „Bedingungen“ geknüpft sein. Dabei kann freilich im
Einzelfall die Entscheidung der Frage schwierig sein, ob es sich wirk-
lich um (aufschiebende oder auflösende) Bedingungen oder aber um
Auflagen handelt. Die den Balkanstaaten durch den Berliner Kongreß
von 1878 aufgelegten Verpflichtungen (unten S.22) sind nicht als auf-
lösende Bedingungen zu betrachten, deren Nichterfüllung die Ver-
tragsmächte zum Widerruf der Anerkennung berechtigen würde; son-
dern als Auflagen, deren Erfüllung durch gewaltsame Intervention durch-
gesetzt werden könnte®).
Verweigerung der Anerkennung berechtigt als Unfreundlichkeit
(nicht als Unrecht) zur Retorsion (unten $ 38 III); vorzeitige Aner-
kennung eines um seine Selbständigkeit noch ringenden Staatsgebietes,
so die der Vereinigten Staaten von Nordamerika durch Frankreich
am 15. März 1878, ist Unfreundlichkeit (nicht Unrecht) gegen das
Mutterland. -
V. Veränderungen in der Regierungsform eines Staates haben keinen Ein-
fuß auf seine völkerrechtlichen Berechtigungen und Verpflichtungen.
Über den Einfluß von Gebietsveränderungen auf bestehende Rechts-
verhältnisse siehe unten $& 24.
8) Ebenso Gareis 66. Nys I80. Ullmann 128. Dagegen z. B. Piöde-
lidövre 99; auch Triepel (oben $2 Note 1) 292 Notel. Vgl. dazu Strupp 1217
Note 2.