62 1. Buch. Die Rechtssubjekte des völkerrechtlichen Staatenverbands.
zusetzen versucht (oben S. 17), während der literarische Wortführer
der Pentarchie, v. Kamptz, das Iuterventionsprinzip wissenschaftlich
aus den Grundgedanken des. Völkerrechts zu rechtfertigen unternahm.
Erst seit dem dritten Jahrzehnt trat Großbritannien für die Unabhängig-
keit der einzelnen Staaten ein (Depesche Cannings vom 28. Januar
1823 bei Strupp I 166). Einen besonderen Ausdruck hat dann das Prin-
zip der Nichtintervention gefunden in der Botschaft von James
Monroe, dem 1831 verstorbenen Präsidenten der Vereinigten Staaten,
vom 2.Dezember 18235).
Der Kern der ursprünglichen „Monroedoktrin‘ kann in zwei Sätzen
wiedergegeben werden: 1. Die amerikanischen Kontinente sind frei
und unabhängig und daher kein Gegenstand für künftige Kolonisation
durch europäische Mächte (Abs.7); 2. jede Einmischung einer euro-
päischen Macht in die amerikanischen Angelegenheiten werden
die Vereinigten Staaten als den Ausdruck einer unfreundlichen Ge-
sinnung betrachten (Abs. 48).
Diese kräftige Betonung des Nichtinterventionsprinzipes steht im
vollen Einklang mit der seither zur allgemeinen Herrschaft gelangten
völkerrechtlichen Anschauung.
Schon in der Botschaft. ist aber auch die Forderung angedeutet,
die dann später die Vereinigten Staaten mit steigender Bestimmtheit,
aber unter dem Widerspruch Europas wie auch teilweise der übrigen
amerikanischen Staaten selbst, aufgestellt haben, daB nämlich den
Vereinigten Staaten als der panamerikanischen Schutzmacht eine Vor-
herrschaft auch über die süd- und mittelamerikanischen Staaten, in
ihren Streitigkeiten mit europäischen Mächten, wie in ihren inneren
Angelegenheiten, zukomme (,Amerika“ nicht den Amerikanern, son-
dern „den Vereinigten Staaten‘‘)®); eine Forderung, die in direktem
Widerspruch gerade zu dem Nichtinterventionsprinzip steht.‘ Seit dem
5) Abgedruckt in Richardson, A oompilation of the messages and papers
of the Presidents 1789 bis 1897. 1898 II, 207 sowie bei Fleischmann 27 und
Strupp 1175. — Pohl, Der Monroe-Vorbehalt (Festschrift für Krüger). 1911.
Kraus, Die Monroedoktrin. 1913 (hier die ältere Literatur). Haeberlin,
K.Z. VIIll. Hart, The Monroe doctrine. s. a. (1915). de Barral-Mont-
ferrat, De Monroö & Roosevelt. 1905. Engelhardt, Die Praxis der Monroe-
doktrin. 1916. Sherill, Modernizing the Monroe doctrine. 1916. v. Frisch,
Monroedoktrine und Weltpolitik der V. St. 1917. Vgl. auch Band LIV der An-
nals of the American Academy of political and social science. 1914 (International
relations of the United States). Diena, N. Z. XV 14. Heilborn bei Stier-
Somlo I1 S. 61. Oppenheim 1188. Ullmann 463. Strupp I177 Note l.
6) Im Venezuela-Streit 1902/3 haben die Vereinigten Staaten (Roosevelt)
anerkannt, daß die europäischen Mächte das Recht haben, die zentral- und süd-
amerikanischen Staaten, wenn nötig, durch Gewalt zur Erfüllung ihrer Ver-
pflichtungen anzuhalten. — Über die Dragodoktrin vgl. unten $38 III.