Full text: Das Völkerrecht systematisch dargestellt.

$ 7. Die Staatsgewalt in ihrer äußeren Unabhängigkeit. 63 
siegreichen Krieg mit Spanien endlich beansprucht der nordamerika- 
nische Imperialismus (Roosevelt, Taft, Wilson) die Wahrung der Welt- 
machtstellung der Vereinigten Staaten in den Welthändeln (Teilnahme 
an der Algeciraskonfeıenz 1906). Den schärfsten Ausdruck hat diese. 
Politik einerseits in dem Vertrag mit Panama (unten $& 27 IV 2), ander- 
seits in der Angliederung der Philippinen gefunden. Damit ist der 
Grundgedanke der Botschaft von 1823 tatsächlich preisgegeben. Führt 
doch heute Wilson den Krieg, um den europäischen Mittelmächten die 
demokratischen Grundsätze der amerikanischen Staatsverfassung aufzu- 
zwingen. Es ist klar, daß auf dieser Entwicklungsstufe die Monroe- 
doktrin keinen Rechtssatz des Völkerrechts, sondern einen der Sach- 
lage jeweils angepaßten Leitsatz der amerikanischen Weltpolitik dar- 
stellt, mithin aus dem Gebiete der völkerrechtlichen Betrachtung völlig 
ausscheidet. . 
Ausnahmsweise kann die Befugnis zu einer Einmischung in die An- 
gelegenheiten eines andern Staates gegeben sein: 
a) Durch das Ersuchen des andern Staates selbst oder durch dessen 
Zustimmung (Rußland und Österreich 1849). 
b). Durch ein von diesem vertragsmäßig eingeräumtes oder zwischen den 
beteiligten Staaten vereinbartes Recht (Verträge der Vereinigten Staaten 
mit Kuba und Panama von 1903). 
c) Durch die Voraussetzungen. unter denen eigenmächtige Selbsthilfe 
als berechtigt erscheint (unten $ 88 II. 
Dagegen kann nicht zugegeben werden, daß ein Einmischungs- 
recht schon dann gegeben sei, wenn nach der, sei es auch begründeten 
Ansicht eines einzelnen Staates die allgemeinen Interessen der Mensch- 
heit oder der Kultur einen Angriff notwendig machen (Intervention der 
Vereinigten Staaten in Kuba, April 1898); denn damit würde der Will- 
kür Tür und Tor geöffnet. Und ebensowenig darf in der Bedrückung 
von Stammesgenossen für dritte Staaten ein Grund für die Inter- 
vention erblickt werden; denn das Schutzrecht eines jeden Staates 
beschränkt sich, von besonderen Vereinbarungen abgesehen, auf seine 
eigenen Staatsangehörigen (abweichend die Haltung Griechenlands 
gegenüber Kreta 1897; Rußlands gegenüber Serbien 1914). 
In allen diesen Fällen kann das Recht zum Einschreiten auch 
einer Mehrzahl von Staaten gemeinschaftlich zustehen (sogenannte 
Kollektiv-Intervention). So hat der Berliner Vertrag 1878 
Artikel 61 das Recht der Großmächte zur Einmischung in die inneren 
Angelegenheiten der Türkei bezüglich der armenischen Provin- 
zen ausdrücklich anerkannt. 
8. Völkerrechtswidrig ist endlich jede Beleidigung eines andern Staates, 
sei es in dessen völkerrechtlichen Vertretern und Organen, sei es in dessen 
Hoheitszeichen.
	        
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