64 I. Buch. Die Rechtssubjekte des völkerrechtlichen Stastenverbands.
Sie ist völkerrechtliches Delikt und nach den unten 8 25 ent-
wickelten Grundsätzen zu beurteilen. Dagegen gehört die Erweisung
besonderer Ehrenbezeugungen nicht mehr dem Völkerrecht, sondern
‚der internationalen Höflichkeit an. Das gilt auch von dem gesamten
Land- und Seezeremoniell und von der Berücksichtigung der von den
Kaiserreichen und Königreichen sowie von den großen Freistaaten für
sich in Anspruch genommenen „königlichen Ehren‘ (Gesandte erster
Klasse, Königskrone im Wappen, Brudertitel).
HL 1. Aus der mit dem Grundgedanken des Völkerrechts gegebenen gegen-
seitigen Unabhängigkeit der Staaten voneinander folgt, daß kein Staat vor
die Gerichte eines andern Staates gestellt werden kann; denn darin läge die
Ausübung der Staatsgewalt über einen selbstherrlichen Staat, mithin die Ver-
letzung seiner Souveränität.
Dieser Satz, der von der weitaus überwiegenden Literatur und
Rechtsprechung anerkannt wird, ist in neuerer Zeit vielfach ange-
fochten worden. Man stellt die Behauptung auf, daß der Staat, soweit
er nicht als solcher, sondern als Privatunternehmer (als Fabrikant, als
Unternehmer einer Eisenbahn usw.) auftritt, soweit mithin nicht die
Ausübung seiner Staatsgewalt in Frage steht, daß also der fremde
Staat als Fiskus den inländischen Gerichten auch gegen seinen
Willen unterworfen sei?). Gegen diese Ansicht spricht aber entschei-
dend die Erwägung, daß jeder Versuch, das gegen den Fiskus ge-
fällte Erkenntnis zu vollstrecken, zu einem Eingriff in die fremde
Staatsgewalt. führen würde. Nur soweit es sich um dingliche Klagen in
bezug auf unbewegliches Gut handelt oder der fremde Staat im Ein-
zelfall (durch Klageerhebung usw.), oder für gewisse Sachen allgemein
sich freiwillig der inländischen Gerichtsbarkeit unterwirft, erfährt der
7) Die richtige Ansicht wird nicht nur von der Rechtsprechung der meisten
außerdeutschen Länder, sondern ganz besonders auch von den deutschen obersten
Gerichtshöfen ‚ständig vertreten. Vgl. Preuß. Justizministerialblatt 1905 S. 202
(Entscheidung des Kompetenzkonflikts-Gerichtshofs vom 14. Januar 1882), N. Z.
XIII 397, Reichsgerichts-Entscheidungen LXII 165. Sauter, Die Exemtion aus-
ländischer Staaten von der inländischen Zivilgerichtsbarkeit. Erlanger Diss.
1907. Meurer, K.Z. VIIIl. Weber, Fremde Staaten vor dem deutschen
Richter? 1913. Streit, L’affaire Zappa. 1894. Marx, Gerichtliche Exem-
tionen der Staaten, Staatshäupter und Gesandten im Ausland. 1895. Feraud-
Giraud, Etats et souverains, personnel diplomatique et consulaire devant les
tribunaux &trangers. 2 Bde. 1895. Gareis 97. v. Martitz 442. Nys II 340.
Perels 93. — Fall Hellfeld: Gutachten von Meili usw. herausgegeben von
v. Dynowsky 1910; Schriftstücke in N.Z. XX 416, 594; K. Z. IV 357. Gut-
achten von Brie, OÖ. Fischer, Fleischmann in Heft 23 der von Brie und Fleisch-
mann herausgegebenen Abhandlungen. Dazu Niemeyer, E. Löning, D.J.Z.
XV 105, 161, Triepel, L. A. XXVIII212, Radnitzky, daselbst 454. Weh-
berg, Ein internationaler Gerichtshof für Privatklagen. 1911. — Vgl. auch unten
$11 Note.