80 I. Buch. Die Reohtssubjekte des völkerrechtlichen Staatenverbands.
vermag. Will man nicht jedem Staat das Recht zusprechen, das Ge-
biet seiner Küstengewässer innerhalb der Tragweite der Strandbatterien
selbständig zu bestimmen, so wäre eine internationale Vereinbarung
über die Höchstgrenze der Küstengewässer (etwa sechs oder zehn See-
meilen) dringend zu wünschen. Innerhalb einer solchen Höchstgrenze
könnte jeder Uferstaat die Grenze für die Ausübung verschiedener
Hoheitsrechte verschieden bemessen, also etwa für die Ausübung der
. Zoll- und Sanitätspolizei weiter hinausschieben als für die Ausübung
der Gerichtsbarkeit.
2. Die Küstengewässer sind nicht Sitaatsgeblet; wohl aber steht dem
Uferstaate die Ausübung gewisser Hoheitsrechte in den Küstengewässern zu.
Man kann mithin sagen: der Uferstaat hat eine beschränkte Gebletshoheit
über die Küstengewässer.!?)
‘Daß das Küstenmeer nicht schlechtweg als Staatsgebiet des Ufer-
staates betrachtet werden kann, also nicht ‚„Hoheitsgewässer‘ ist, ergibt
eine einfache Erwägung. Wenn an Bord eines schwedischen Handels-
dampfers, der die deutschen Küstengewässer der Ostsee durchfährt,
ein Kind geboren wird, so ist dieses Kind, wie von allen Seiten zuge-
geben wird (unten V), nicht in Deutschland, sondern in Schweden
geboren; wenn an Bord eines die deutschen Küstengewässer durch-
fahrenden französischen Schiffes ein Matrose von einem andern er-
schlagen wird, so ist die Handlung ganz zweifellos nicht in Deutsch-
land, sondern in Frankreich begangen.
Die rechtliche Stellung des Uferstaates in den Küstengewässern
ergibt sich vielmehr aus folgenden Rechtssätzen.
a) Die Durchflahrt durch die Küstengewässer darf den Handels- wie den
Kriegsschilfen fremder Staaten in Friedens- wie in Kriegszeiten weder versagt
noch von Abgaben abhängig gemacht werden (droit de passage inollensiv, jus
passagli sive transitus innoxil). Dagegen Ist, von Seenot (reläche forcde) ab-
gesehen, der Aufenthalt in den Küstengewässern (zu Seemanövern, Vermes-
sungen usw.) nur mit Genehmigung des Uflerstaates gestattet; In diesem Falle
stehen die fremden Handelsschiffe unter der Staatsgewalt des Ulerstaates.
b) Die Küstenfrachtfahrt (cabotage maritime) und die Küstenfischerel
kann den eigenen Staatsanzehörigen unter Ausschluß aller Staatstremden vor-
behalten werden. (Vgl. unten 8 12 IL)
c) Der Ulerstaat hat das Rocht der Seepolizei.
12) Die Frage ist sehr bestritten. Die Souveränität des Uferstaates wird
von einzslnen Schriftstellern (so von Schüocking) behauptet, von anarın in
Abrede gastellt. Da aber die ersteren Einschränkurigen in der Ausübung der
Souveränität zugeben und die letztern dem Uferstaate die Ausübung einer ganzen
Reihe von Hoheitsrechten (wenn auch unter dem Namen von „Staatsservituten‘“‘)
einräumen, so führen die verschiedenen Ansichten im wesentlichen zu demselben
Ergebnis. Vgl. über die alte Streitfrage vor allen Schücking.