8 9. Der Umfang des Staategebietee. 81
Er hat also zunächst das Recht der Schiffahrtspolizei. Die
Bestimmungen des Uferstaates über die Signalordnung, über Seezeichen,
über Lotsenzwang, über die Verhütung des Zusammenstoßes von Schiffen
auf See und über das Verhalten der Schiffer nach einem Zusammen-
stoß, über die Hilfeleistung bei Strandung, über den Schutz der unter-
geeischen Kabel usw. sind daher für die die Küstengewässer durch-
fahrenden Schiffe bindend. Er hat ferner das Recht der Zollpolizei,
also auch das Recht, fremde, des Schmuggels verdächtige Schiffe an-
zuhalten und zu durchsuchen. Er hat endlich auch das Recht der Sa-
nitätspolizei. Er ist zugleich auch befugt, die Beobachtung seiner
polizeilichen Vorschriften zu erzwingen und ihre Übertretung zu be-
strafen.
d) Der Uferstaat übt in seinen Küstengewässern eine beschränkte Ge»
. fichtsbarkeit in Zivil- und Strafsachen.
Er hat die Gerichtsbarkeit zunächst in bezug auf die in seinen
Küstengewässern, aber nicht an Bord eines fremden Schiffes
vorgekommenen, rechtswidrigen Handlungen und Rechtsgeschäfte. So
wenn in einem Seebade von einem in die See hinausgeschwomme-
nen fremden Badegaste ein Totschlag an einem andern begangen,
oder zwischen fremden Staatsangehörigen auf einer Sandbank ein
Rechtsgeschäft abgeschlossen wird. Hier sind zweifellos die deutschen
Gerichte zuständig, und deutsches Recht ist anzuwenden. Der Ufer-
staat hat ferner die Gerichtsbarkeit bei Seeunfällen, die sich
in seinen Küstengewässern ereignen; mithin auch bei einem Zusam-
menstoß von Schiffen, selbst wenn die beiden in Frage kommenden
Schiffe fremder Nationalität angehören “der sogar dieselbe fremde
Flagge führen. Diesen Standpunkt nimmt nicht nur die englische
Territorial waters jurisdiction act vom 16. August 1878 (41/42 Vict.
c. 73) ein, sondern auch das deutsche Gesetz vom 27. Juli 1877
(R.G.Bl. S.549), betreffend die Untersuchung von Seeunfällen. Die Ge-
richte des Uferstaates haben hier nach ihrem heimischen Recht das
Verschulden der beteiligten Schiffer und die zivilrechtlichen wie die
strafrechtlichen Folgen dieses Verschuldens festzustellen; die inlän-
dischen Vollstreckungsbehörden für die Durchsetzung der festgestellten
Unrechtsfolgen zu sorgen (vgl. unten 8 26 V 3).
‘Nicht wesentlich anders ist die Rechtsstellung der in den Küsten-
gewässern verankerten Schiffe gegenüber der Gerichtsbarkeit des
Uferstaates. Zwar wird hier von den völkerrechtlichen Schrift-
stellern teils die uneingeschränkte Gerichtsbarkeit des Uferstaates
(so auch Großbritannien und die Vereinigten Staaten), teils die
unbedingte Exterritorialität des fremden Schiffes behauptet, aber
diesen beiden extremen Ansichten steht eine feste kontinental-
europäische Staatenpraxis gegenüber. Nach dieser hat der Uferstaat
v. Liszt, Völkerrecht. 11. Aufl. 6