Dogmatische Erörterungen. 97
und dem Mittlern einen Vertrag geschlossen, daß für den Fall, daß
er ohne männliche Nachkommenschaft stürbe, jeder seiner beiden Schwe-
stern eine Abfindungssumme von 50000 Gulden abgegeben werden
solle (1487). Da diese Summe die in der Erbverbrüderung bestimm-
ten Absindungssummen bedeutend überschritt, so wurde darin eine Ver-
letzung der Erbverbrüderung gesehen und deßhalb zu dem Abschluß
dieses Vertrags die sächsischen Fürsten beigezogen. Ausdrücklich wurde
dabei bestimmt, daß „diese gutliche Abrede sunst in andern Sachen ond
Fellen der vorgerurten erblichen Bruderschafft kein Verletzung, Irrung,
Hinterniß, Eingang oder Abbruch bringen noch thun soll, in kein Weiß,
sondern dieselb onuser Bruderschafft soll nach allem irem Inhalt vor
crefftig ond mechtig gehalten werden, seyn ond pleiben.“. 234). Gegen
diesen Vertrag protestirten die Schwestern des Landgrafen und ein
langer Rechtsstreit entspann sich, der erst im Jahre 1557 geschlichtet
wurde. Die sächsischen Fürsten traten in demselben als Nebeninter-
venienten der hessischen Landgrafen auf, indem sie behaupteten, die
Ausschließung der Töchter und Schwestern von der ganzen Erbschaft
sei in der Erbverbrüderung festgestellt und in Folge davon seien sie
zur Intervention berechtigt. 235)
Späterhin wurde von dem Herzoge Heinrich von Sachsen die er-
wähnte Ausdehnung der Erbverbrüderungsbestimmungen behauptet, als
nach dem Tode seines Bruders Georg im Jahre 1539 dessen Schwie-
gersöhne, Landgraf Philipp von Hessen und Kurfürst Joachim II. von
Brandenburg, Ansprüche an die Allodialhinterlassenschaft machten. Nach
mancherlei Streitigkeiten und Deduktionen 296) kam ein Vergleich zu
780 Der Vertrag wurde abgeschlossen Erfurt 12. September 1487. Vgl. oben
235) So appellirte z. B. im Jahre 1539 der Landgraf Philipp mit sächsischer
Intervention gegen das Urtheil des kaiserlichen Commissarius (Erbverbrüderungen
1457—1555. Fol. 201. 204. Dresd. St.-Arch.). ««« ·
236) Auf den Rath seiner Landstände hatte Herzog Heinrich mehtere Rechtsge-
lehrte um Gutachten angegangen; unter andern auch den bekannten Juristen Melchior
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