60 Wahlcapitulation von 1711.
Aus den Wahltagsprotocollen geht nun aber deutlich hervor, daß den
Kurfürsten nichts ferner lag, als ihre Rechte durch diesen Artikel zu
schmälern; im Gegentheil konnte durch ihn höchstens das Recht des
Kaisers beschränkt werden. An diesem Sachverhalt wurde auch nichts
geändert, als in der Wahlcapitulation des Kaisers Karl VI. von 1711
statt des Artikels 6 in dem Art. I. §# 9 das Versprechen des Kaisers
aufgenommen wurde, „daß er die sowohl vor als nach dieser Wahlcapi-
tulation gemachten oder noch in Zukunft zu machenden den Reichsge-
setzen gemäßen Uniones, insbesondere aber die Erbverbrüderungen auf
gebührendes Ansuchen ohne Weigerung und Aufenthalt in beständiger
Form confirmiren wolle.“ — Hierdurch war die Bestimmung der Leo-
poldinischen Wahlcapitulation auch uf die spätern Erbverbrüderungen
ausgedehnt, nur daß für diese wenigstens eine formelle kaiserliche Ge-
nehmigung und ein dearrtiges Gesuch verlangt wurde. Dem Kaiser aber
wurde das Recht entzogen, die Bestätigung zu verweigern. 165) Daß
IV. c 8 d 166 p. 303. Bodinus De Pacto Confratern. Saxo-Brandd-Hass.
(Halae 1708) § 15. Schweder a. a. O. Bd. I. S. 437. Itter De feudis Imperii
(1685) c. XVII. 6 11 p. 780. Brautlach Epitome Jurispr. publ. (1688) p. 45.
Myler ab Ehrenbach De principibus et Statibus Imperii Rom. Germ. (1685) p.
264. Struve Corpus Jur. Publ. p. 1201 u. a. m. Von den Neuern hält allein Mau-
renbrecher diese Ansicht fest: Grundsätze des deutschen Staatsrechts (1837) S. 462.
Die entgegengesetzte Ansicht wurde hauptsächlich vertheidigt von J. J. Moser Staats-
recht Bd. XVII. S. 163. Familien-Staatsrecht Bd. I. S. 1018. Rechtsmaterien
Bd. XVII. S. 212 u. ff. Ihm folgen die meisten spätern Schriftsteller: Leist, Lehr-
buch des teutschen Staatsrechts S. 130. Häberlin Handbuch Bd. III. S. 319.
Zachariae deutsches Staats= und Bundesrecht Bd. I. S. 382 u. s. w.
164) Auszüge aus den Wahltagsprotocollen bei Moser a. a. O. Bd. X VII.
S. 163 u. ff.
165) Moser Rechtsmaterien Bd. XVII. S. 212: „So groß der Unterschied
zwischen der Wahlcapitulation von 1658 und der von 1711 zu sein scheint, so wenig
bedeutend ist er, weil die Confirmation ohne Weigerung und Aufenthalt geschehen
soll; sondern da stecket der Knoten, daß sowohl in der Leopoldinischen, als in der
neuern Wahlcapitulation die Confirmation auf die denen Rcichsconstitutionen ge-
mäßen Erbverbrüderungen eingeschränket wird; und darum sagt die Leopoldinische
nicht mehr zum Besten der Reichsstände, als die neuste und diese nicht weniger als
die Leopoldinische.“ —