76 Dogmatische Erörterungen.
rechtlichen und privatrechtlichen Begriffen, welche bis gegen das Ende
des 18. Jahrhunderts herrschte, war in der Erbverbrüderung selbst die
ganze Hinterlassenschaft als eine einheitliche Vermögensmasse betrachtet
worden. Und doch waren in dieser Masse begriffen Lehen und Allo—
dialgüter, staatsrechtliche Befugnisse und privatrechtliche Rechte. Da
aber in den größern deutschen Territorien der lehnrechtliche Charakter
der deutschen Reichslehn fast gänzlich in den Hintergrund getreten war,
das Land dagegen und die Landeshoheit als Gegenstände wohlerworbner
Privatrechte betrachtet wurden, so erregte es kein Bedenken, alle
ein der Hand des Fürsten vereinigten Rechte und Befugnisse als eine
Vermögensmasse zu betrachten, die nach privatrechtlichen Grundsätzen
vererbt wurde. Jedoch sind bei einer nähern Betrachtung der Erbver—
brüderung die rechtlich sehr verschiednen Bestandtheile, die sie umfaßt,
auseinander zu halten und die Successionen in Lehen und Allod, in
Staats- und Privatverlassenschaft zu trennen. Da die Landeshoheit
ihrem wesentlichen Bestande nach aus einzelnen Regalien zusammenge—
setzt war, die der Fürst von dem Reiche zu Lehen trug, so fiel die
Nachfolge in die Lehen und in die Staatshinterlassenschaft zusammen.
Die Successionsrechte der erbverbrüderten Häuser in Bezug hierauf
waren begründet in der vom Kaiser ertheilten Gesammtbelehnung.
Nachdem aber die Lehnsverbindung aufgehoben war, nachdem sich der
Patrimonialstaat in einen Verfassungsstaat umgewandelt hatte, mußte
sich nothwendiger Weise auch die rechtliche Natur dieses Erbfolgerechts
verändern. Nachdem das Recht des Monarchen den privatrechtlichen
Charakter völlig abgestreift hat, kann von einem eigentlichen Erbrecht
jetzt nicht mehr die Rede sein; der Thronfolger übernimmt die Regie-
rung nicht in Folge einer privatrechtlichen Anordnung, sondern in Folge
einer Verfassungsbestimmung, welche die Ordnung, nach der der Ein-
tritt in die Stellung des Monarchen erfolgt, festsetzt. 1,5) Beruht diese
199) Vgl. Gerber in Aegidis Zeitschrift für deutsches Staatsrecht Bd. I. S. 13.
Held in Aegidis Zeitschrift Bd. I. S. 41 u. ff.