Full text: Die Erbverbrüderungen zwischen den Häusern Sachsen und Hessen und Sachsen, Brandenburg und Hessen.

Dogmatische Erörterungen. 83 
auf Grundlage des Staatsgebiets, so kann dieses auch nicht getheilt 
werden, ohne daß der ganze Organismus des Staats zerstört wird, 
daß der Staat, der bis jetzt bestanden, zu existiren aufhört. Gebietet 
also die Natur des Staates seine Untheilbarkeit, während Ansprüche, 
die in früherer Zeit begründet worden, seine Theilung fordern, so 
werden eben diese Ansprüche, so weit sie mit der Verfassung unverein- 
bar sind, hinfällig und bleiben in formell giltiger Weise aufgehoben, 
mag auch die Art und Weise, wie sie aufgehoben worden, billig oder 
unbillig erscheinen. 213) — 
In der verfassungsmäßigen Staatsordnung erscheint eine Lücke 
und keine Bestimmung findet sich für den Fall, daß die Thronfolge- 
ordnung mehrere Personen zu gleichem Rechte zur Regierungsnachfolge 
beruft. Da eine gemeinschaftliche Regierung der Berechtigten ebenso 
sehr der Natur der Monarchie widersprechen würde als auch bei dem 
heutigen politischen Leben als eine Unmöglichkeit zu betrachten ist, so 
tritt hier ein Fall zu Tage, in dem die frühern in der privatrechtlichen 
  
213) Anderer Ansicht ist Zachariae deutsches Staats= und Bundesrecht. (3. Aufl.) 
Bd. II. S. 593, der sagt: „Auch läßt sich an sich nicht behaupten, daß durch die Be- 
stimmungen der neuern Staatsgesetze die älteren Successionsrechte verschiedner Linien 
ohne weiteres gebrochen werden könnten. Dieser Grund würde viel zu weit reichen. 
Er würde das begründete Successionsrecht der Willkür des zeitigen Souveräns Preis 
geben, wofür sich aus dem Wesen des Staats keine Rechtfertigung gewinnen läßt.“ 
— Aber „von einer Willkür des zeitigen Souveräns“ kann gar keine Rede sein, da 
eine Aenderung der Thronfolgeordnung von dem Monarchen ebensowenig einseitig 
vorgenommen werden kann, wie die Aenderung irgend eines andern Gesetzes. Die 
Consequenzen des Satzes, daß die Thronfolgeordnung ein Bestandtheil der Staats- 
verfassung und als solcher wie jede andere Bestimmung der Staatsverfassung auf 
verfassungsmäßigem Wege zu regeln ist, erscheinen nur dann als unannehmbar, wenn 
man sich scheut, die Consequenzen daraus zu ziehen, daß der Staat nicht mehr in 
einem privatrechtlichen Verhältnisse zu dem Fürsten steht. Auch Gerber (a. a. O. 
S. 19) scheint eine Aufhebung der aus älterer Zeit stammenden Successionsrechte 
nur dann für unmöglich zu halten, wenn eine Aufhebung nicht im unabweisbaren 
Bedürfnisse des Staates liegt. Aber auch Zachariae (a. a. O. S. 594) spricht sich 
entschieden für die Untheilbarkeit des Staats aus. Nur Weiß (deutsches Staatsrecht 
& 241) und Zöpfl (deutsches Staats= und Bundesrecht Bd. I. 6254) halten noch 
den alten privatrechtlichen Standpunkt fes-t. 
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