6 I. Die Gründung des Norddeutschen Bundes u. des Deutschen Reiches.
den Oberbefehl des Königs von Preußen. Sie verpflichteten
sich fernerhin dazu, die Zwecke des Bündnisses definitiv durch
eine Bundesverfassung auf der Bafis der Grundzüge vom
10. Juni sicherzustellen, unter Mitwirkung eines gemeinschaftlich
zu berufenden Parlaments, dessen Mitglieder auf Grund des
Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849, d. h. nach allgemeinem
gleichem und direktem Wahlrecht gewählt werden sollten. Die
Geltungsdauer des Vertrags ward bis zum Abschluß des neuen
Bundes festgesetzt, doch sollte er jedenfalls außer Kraft treten,
wenn der neue Bund nicht vor Ablauf eines Jahres geschlossen
sein sollte. Preußen hatte damit jener am Deutschen Bund
mit großer Kunst geübten Politik der Verschleppung einen
wirksamen Riegel vorgeschoben.
Zur Erfüllung der auf Errichtung eines neuen Bundes
gerichteten Verpflichtung waren folgende Handlungen erforderlich:
1. Die Staatsregierungen hatten sich über den Entwurf
einer Bundesverfassung zu vereinigen, die von ihnen einem
Parlamente zur Beratung und Beschlußfassung vorzulegen war.
Preußen unterbreitete in einer von ihm berufenen Versammlung
den Gesandten sämtlicher Staaten am 15. Dezember 1866 einen
Verfassungsentwurf, der von ihnen am 7. Februar 1867 mit
geringfügigen Anderungen angenommen ward.
2. Die Regierungen hatten gleichzeitig Wahlen zu dem
Parlamente anzuordnen. Es geschah dies auf Grund von
Landesgesetzen. Darüber, daß durch die neue Bundesverfassung
das Verfassungsrecht eines jeden Staates in bedeutsamer Weise
abgeändert werde, konnte ein Zweifel nicht obwalten Wohl
wäre es möglich gewesen, daß in jedem Staate durch Gesetz
im voraus der Staatsregierung die Ermächtigung gegeben worden
wäre, durch Annahme der mit dem Parlamente vereinbarten
Bundesverfassung das Landesrecht insoweit abzuändern, als
aus der Bundesverfassung eine solche Abänderung sich ergeben
werde. Doch geschah dies nur in Braunschweig und Lübeck.
In den anderen Staaten, insbesondere in Preußen, wollte
der Landtag eine Prüfung sich darüber vorbehalten, ob in der
Verfassung des zu gründenden Bundes den politischen Rechten
des Volkes genügender Raum und Schutz gewährt werden.
Das preußische Gesetz vom 15. Oktober 1866 wie die anderen
Landesgesetze bestimmten deshalb, daß die Bundesverfassung mit
dem Parlamente nur zu beraten, nicht aber endgültig fest-