20 I. Die Gründung des Norddeutschen Bundes u. des Deutschen Reiches.
stituierende Reichstag sei davon in Kenntnis zu setzen, daß die
Staaten die vereinbarte Bundesverfassung nach Maßgabe der
in den einzelnen Ländern bestehenden Verfassungen zur gesetz-
lichen Geltung bringen werden.“ Vollzog sich aber die
Gründung des Norddeutschen Bundes durchaus in den Formen
des Rechtes, so kann die Gründung nicht ein außerhalb des
Rechtes liegender tatsächlicher Vorgang sein.
Andere Schriftsteller erkennen an, daß die Verfassung
ihrer Entstehung nach ein völkerrechtlicher Vertrag gewesen sei,
behaupten aber, daß sie, nachdem sie in Wirksamkeit getreten,
in ein Gesetz des Norddeutschen Bundes und des Deutschen
Reiches sich verwandelt habe. Aber sie vermögen die Frage
nicht zu beantworten, wie ein Vertrag in ein Gesetz sich ver-
wandeln könne. Ein Schriftsteller, dem die Wissenschaft tief-
gehende Untersuchungen über die allgemeine Staatslehre und
über das deutsche Staatsrecht verdankt, Haenel, sieht in dem
Publikandum, mit welchem der König von Preußen am
26. Juli 1867 im Namen des Norddeutschen Bundes die
Bundesverfassung verkündete, den Akt, durch welchen sich diese
Umwandlung vollzogen habe. Doch ist diese Ansicht aus
mehreren Gründen unhaltbar. Schon seinem Wortlaute nach
enthält das Publikandum nur die Verkündung der Tatsache,
daß der Norddeutsche Bund errichtet und die Verfassung am
1. Juli 1867 in Kraft getreten ist. Die Verfassung galt also
vom 1. Juli an. Das Publikandum konnte und wollte nicht
den rechtlichen Charakter der seit dem 1. Juli in Geltung
stehenden Verfassung ändern. Dies wäre aber auch deshalb
rechtlich unmöglich gewesen, weil der König von Preußen als
Präsidium des Bundes hierzu in keiner Weise zuständig war.
Aber die Ansicht enthält auch einen Widerspruch in sich. Be-
ruht die Verfassung auf einem völkerrechtlichen Vertrag, dessen
Teil sie bildet, so kann sie auch nur Gültigkeit haben, solange
der Vertrag besteht. Beseitigen wir diese Basis, auf der das
Reich beruht, dann ist auch die Rechtsverbindlichkeit der Verfassung
nicht mehr begründet, dann fehlt ihr die rechtliche Grundlage.
Lassen Sie uns von diesen und anderen Theorien absehen
und vorurteilslos den Inhalt der Rechtsakte prüfen, durch
welche der Norddeutsche Bund gegründet ward. Am 16. April
1867 verpflichteten sich die souveränen Staaten Norddeutschlands,
auf gesetzlichem Wege die von ihnen mit dem konstituierenden