Das Reich ein Staat. 21
Reichstage vereinbarte Verfassung zur Geltung zu bringen. Sie
schlossen damit untereinander einen Vertrag ab und zwar, da
sie souveräne Staaten waren, einen völkerrechtlichen Vertrag.
Bestandteil des Vertrages war die Verfassung selbst, denn sie
enthielt die Vertragsbestimmungen, zu deren Ausführung die
Staaten sich verpflichteten. Insoweit ist die Ansicht Seydels
richtig, ist sie nicht widerlegt und unwiderlegbar. Aber in dem
Vertrage verpflichteten sich die Staaten nicht nur zur Gründung
des Norddeutschen Bundes, nicht nur zu einzelnen darauf ge-
richteten Handlungen, sondern sie verpflichteten sich zugleich,
sich der in dem Bunde zu gründenden Gewalt nach Maßgabe
der Verfassung zu unterwerfen und den verfassungsmäßigen
Willenserklärungen der Inhaber der Bundesgewalt zu gehorchen.
Nicht mit dem Norddeutschen Bunde, der damals noch gar nicht
bestand, haben sie den Vertrag abgeschlossen, sondern unter-
einander. Der Vertrag war aber ein Unterwerfungsvertrag,
nur daß die Staaten in dem Vertrage sich gegenseitig ver-
pflichteten, die Gewalt, der sie sich zu unterwerfen hatten, selbst
zu organisieren. Sie führten den Vertrag aus, indem der
König von Preußen das Präsidium des Bundes übernahm und
indem die Staaten durch ihre Bevollmächtigten den Bundesrat
bildeten, der auf Berufung des Präsidiums zusammentrat.
Damit war die neue Gewalt rechtlich organisiert, es war nicht
ein tatsächlicher Vorgang, der sich der rechtlichen Erklärung
entzieht, sondern der tatsächliche Vorgang war die Ausführung
einer vertragsmäßigen Verpflichtung, an die sich die durch den
Vertrag bestimmten Rechtswirkungen anknüpfen. In Ausführung
des Vertrages hatten die Staaten ihre Souveränität auf die
Bundesgewalt übertragen und es sich dadurch rechtlich unmöglich
gemacht, sich der souveränen Bundesgewalt wieder zu entziehen.
Nicht weil sie den Bund „auf ewige Zeit“ geschlossen, sondern
weil jeder Staat in rechtlich verbindlicher Weise erklärte, daß
künftighin kein Akt der Landesgewalt Rechtsgültigkeit erlangen
könne, der mit der Verfassung oder einem Gesetze des Nord-
deutschen Bundes in Widerspruch stehe. In dem Satze des
Artikels 2 der Bundes= und Reichsverfassung, daß Reichsgesetze
den Landesgesetzen vorgehen, hat die Souveränität des Reiches,
der alle Landesgewalten unterworfen sind, ihr rechtliches Funda-
ment. Indem die Staaten der Verfassung, dem Bundesvertrage,
rechtliche Wirksamkeit gaben, haben sie es sich selbst rechtlich