Full text: Grundzüge der Verfassung des Deutschen Reiches.

54 III. Der Kaiser und der Bundesrat. 
Bundesrat nach vorheriger Zustimmung des Reichstages das 
Gesetz zu erlassen (Art. 5). Der Bundesrat ist es, der ein 
Reichsgesetz sanktioniert, d. h. sein Beschluß ist es, der dem 
Inhalte eines Gesetzentwurfes Rechtskraft verleiht. Aber diese 
Rechtskraft wirkt zunächst nur für den Kaiser und den für 
seine Regierungsakte verantwortlichen Reichskanzler. Der Kaiser 
hat das vom Bundesrate sanktionierte Gesetz auszufertigen, d. h. 
er hat durch seine Unterschrift die Sanktion des Bundesrates zu 
beglaubigen, und er hat das Gesetz zu verkündigen, d. h. den 
Befehl zu erteilen, das Gesetz in der gesetzlich vorgeschriebenen 
Form bekanntzugeben und dadurch für die Bundesstaaten und 
die Untertanen verbindlich zu machen (Art. 17). Der Kaiser 
ist zur Ausfertigung und Verkündigung der Reichsgesetze ver- 
pflichtet, sofern das Gesetz in verfassungsmäßiger Weise zustande 
gekommen ist. Es steht ihm nicht das Recht zu, einem Gesetze 
die Ausfertigung und Verkündigung zu versagen, weil er mit 
dem Inhalte nicht einverstanden ist. Der Reichskanzler trägt 
deshalb durch seine Gegenzeichnung der Ausfertigung und Ver- 
kündigung auch nicht die Verantwortlichkeit für den Inhalt 
des Gesetzes, sondern nur dafür, daß das Gesetz verfassungs- 
mäßig erlassen worden ist. Daß hieraus aber nicht ein Zwie- 
spalt zwischen dem Kaiser und dem Bundesrat sich entwickeln 
kann, dafür hat die Verfassung in anderer Weise Vorsorge ge- 
tragen, wie schon angedeutet worden und wie später noch näher 
auszuführen sein wird. 
3. Der Kaiser führt und leitet die Regierung des Reiches, 
soweit nicht der Bundesrat nach ausdrücklicher Vorschrift der 
Verfassung einzelne Verwaltungsgeschäfte zu erledigen hat. 
Dieser Rechtssatz ist nicht in der Verfassung ausgesprochen 
worden, aber die Verfassung und die gesamte Reichsgesetzgebung 
haben ihn anerkannt und in seinen Folgerungen durchgeführt. 
So hat der Kaiser die Ausführung der Reichsgesetze zu über- 
wachen. Er hat die Anordnungen und Verfügungen im Namen 
des Reiches zu erlassen (Art. 17). Er hat den Reichskanzler und 
die Reichsbeamten zu ernennen und zu entlassen (Art. 15, 18). 
Insoweit ausnahmsweise einzelne Klassen von Reichsbeamten 
nicht von dem Kaiser, sondern von den Landesherren zu er- 
nennen sind, wie die Betriebsbeamten und unteren Beamten 
der Post und Telegraphie (Art. 50), sind doch auch sie, wie 
alle Reichsbeamte, verpflichtet, den Anordnungen des Kaisers
	        
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