56 III. Der Kaiser und der Bundesrat.
mehrere Jahre oder auf unbestimmte Dauer bis zur gesetzlichen
Abänderung zu erlassen ist, wird von der Verfassung nicht be-
stimmt. Bis zu dem jetzt geltenden Gesetz wurde herkömmlicher-
weise das Gesetz auf mehrere Jahre erlassen. Nach dem Gesetz
vom 25. März 1899, dessen Geltung durch Gesetz vom
22. Februar 1904 bis zum 31. März 1905 erstreckt wurde, betrug
die Friedenspräsenzstärke 495 500 Mann im Durchschnitt. Das
Gesetz vom 15. April 1905 hat bestimmt, daß die Friedens-
präsenzstärke im Jahresdurchschnitt derart allmählich erhöht werde,
daß sie im Jahre 1909 die Zahl von 504 665 Mann erreicht
und im Jahre 1910 auf 505 839 Mann gebracht wird. In
den einzelnen Jahren wird die hiernach eintretende Erhöhung
durch den Reichshaushalts-Etat festgestellt.
Dagegen hat der Kaiser die Verwaltung des Landheeres
nicht zu führen. Das deutsche Heer besteht aus den Truppen
der einzelnen Bundesstaaten. Die Heeresverwaltung ist von
ihnen nach Maßgabe der Reichsmilitärgesetze zu führen. Aber
dem Kaiser stehen weitgehende Rechte zu, um die Einheit und
Schlagfertigkeit des deutschen Heeres trotz seiner Zusammensetzung
aus den Kontingenten der verschiedenen Staaten herzustellen
und zu erhalten. Die Höchstkommandierenden eines Kontingents,
sowie alle Offiziere, welche Truppen mehr als eines Kontingents
befehligen, und alle Festungskommandanten werden von dem
Kaiser ernannt und haben ihm den Fahneneid zu leisten. Der
Kaiser hat die Pflicht und das Recht, dafür Sorge zu tragen,
daß alle Truppenteile vollzählig und kriegstüchtig vorhanden
sind, und daß Einheit in der Organisation und Formation, in
Bewaffnung und Kommando, in der Ausbildung der Mann-
schaften, sowie in der Qualifikation der Offiziere hergestellt und
erhalten wird. Zu diesem Behufe ist der Kaiser berechtigt, sich
jederzeit durch Inspektionen von der Verfassung der einzelnen
Kontingente zu überzeugen und die Abstellung der dabei vor-
gefundenen Mängel selbst anzuordnen (Art. 63).
Indes geben die bisher besprochenen Bestimmungen der
Reichsverfassung über die dem Kaiser zustehenden Funktionen
der Militärgewalt keine genügende Vorstellung von der Stellung
des Kaisers als des obersten Kriegsherrn im Deutschen Reiche.
Die Verfassung hat einzelne Rechte nicht dem Kaiser zugewiesen,
sondern dem König von Preußen, teils um das Selbstbewußtsein
der deutschen Landesherren wenigstens in der Form zu schonen,