Full text: Grundzüge der Verfassung des Deutschen Reiches.

Bevollmächtigte. 61 
mächtigten erteilt wird, zu prüfen. Ist sie rechtsgültig aus- 
gestellt, so gibt der Bevollmächtigte die Stimme des Staates 
mit rechtlicher Wirksamkeit ab, selbst wenn er dem ihm er- 
teilten Auftrage zuwider abgestimmt hat. Er verletzt damit 
seine Amtspflicht, er kann sogar im einzelnen Falle sich dadurch 
kriminell strafbar machen, aber die Stimme ist rechtsgültig ab- 
gegeben. Der Beschluß des Bundesrates kann deshalb nicht 
angefochten werden. 
Jeder Bundesstaat hat das Recht, so viele Bevollmächtigte 
zu ernennen, als er im Bundesrate Stimmen zu führen hat. 
Es sollte dadurch einerseits den größeren Staaten die Möglich- 
keit gegeben werden, sich für die verschiedenartigen Angelegen- 
heiten, über welche im Bundesrate Beschluß zu fassen ist, durch 
ihre bedeutendsten und sachverständigsten Beamten vertreten zu 
lassen, und anderseits wird dadurch doch verhindert, daß 
nicht durch eine allzu große Zahl von Bevollmächtigten die Ver- 
handlungen verzögert und erschwert werden. Indes können, 
wie sich schon aus dem Gesagten ergibt, die einem Staate zu- 
stehenden Stimmen nur einheitlich durch den stimmführenden 
Bevollmächtigten abgegeben werden (Art. 6). 
Eine verfassungsmäßige Pflicht der Bundesstaaten, sich im 
Bundesrate vertreten zu lassen und an dessen Abstimmungen 
teilzunehmen, besteht nicht. Versäumt aber ein Bundesstaat das 
ihm zustehende Recht auszuüben, so hat dies nur die Folge, 
daß die nicht vertretenen oder nicht instruierten Stimmen nicht 
gezählt werden (Art. 7). Die mit so großer Kunst auf dem 
Reichstage zu Regensburg und dem Bundestage zu Frankfurt 
a. M. geübte Politik, die Geschäfte dadurch zu verschleppen, 
daß den Gesandten keine oder ungenügende Instruktionen erteilt 
wurden, ist im Bundesrate nicht möglich. 
Jeder Bevollmächtigte zum Bundesrate ist berechtigt, an 
allen Beratungen teilzunehmen, aber auch im Reichstage zu 
erscheinen und jederzeit dort das Wort zu ergreifen, um die 
Ansichten seiner Regierung zu vertreten, auch wenn dieselben 
etwa in Widerspruch mit einem von dem Bundesrate gefaßten 
Beschlusse stehen sollten. Der Bevollmächtigte kann deshalb auch 
nicht gleichzeitig Mitglied des Reichstags sein (Art. 9), da die 
Mitglieder des Reichstags nicht an Aufträge gebunden sein 
dürfen und nur nach ihrer Überzeugung zu sprechen und ab- 
zustimmen haben (Art. 29).
	        
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