Beschlußfassung des Bundesrates. 63
Zu einem gültigen Beschluß des Bundesrates ist in der
Regel erforderlich, aber auch genügend, die absolute Stimmen-
mehrheit der abgegebenen Stimmen. Werden alle 58 Stimmen
abgegeben, so genügen also 30 Stimmen Bei Stimmengleich-
heit geben die preußischen Stimmen den Ausschlag. Von
dieser Regel gibt es jedoch sehr wichtige Ausnahmen. Folge-
richtig, wenn auch von keiner großen politischen Bedeutung, ist
zunächst die Bestimmung der Verfassung, daß bei der Beschluß-
fassung über Angelegenheiten, für welche nach der Verfassung
einem Bundesstaate ein Exemtionsprivilegium zusteht, dieser
Staat an der Abstimmung nicht beteiligt ist (Art. 7). So
steht bei der Beschlußfassung über den Entwurf eines Gesetzes,
das sich auf die Besteuerung des inländischen Bieres bezieht,
Bayern, Württemberg und Baden ein Stimmrecht nicht zu.
Rechtlich wie politisch ist dagegen von großer Tragweite
die Vorschrift der Verfassung in Art. 78 Abs. 1, daß Ver-
änderungen der Verfassung zwar im Wege der Gesetzgebung
erfolgen, aber als abgelehnt gelten, wenn sie im Bundesrate
14 Stimmen gegen sich haben. Damit ist gesagt, daß gegen
den Willen des Königs von Preußen, dem 17 Stimmen zu-
stehen, eine Verfassungsänderung nicht möglich ist. Damit ist
aber auch den drei anderen Königreichen, Bayern, Sachsen und
Württemberg, die zusammen 14 Stimmen führen, die Möglich-
keit gegeben, jede Verfassungsänderung zu hindern, ebenso wie
die süddeutschen Staaten, Bayern, Württemberg, Baden und
Hessen mit 16 Stimmen diese Möglichkeit besitzen. Aber auch
eine Mojorisierung der Kleinstaaten durch die größeren ist
ausgeschlossen, da sie, wenn sie zusammenhalten, über 17 Stimmen
verfügen. Anderseits ist dadurch aber auch dem vorgebeugt,
daß eine von Preußen und der Mehrheit der Staaten und von
dem Reichstage für notwendig erkannte Anderung der Ver-
fassung an dem Widerstand eines einzelnen Staates scheitert.
Eine dreißigjährige Erfahrung hat gezeigt, daß die Ausbildung
und Ausgestaltung des Reiches als eines Bundesstaates durch
diese Vorschrift nicht gehindert wird, daß sie insbesondere einer
Erweiterung der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Reiches
auf alle die Angelegenheiten, die einer einheitlichen Normierung
in Deutschland bedürfen, nicht störend im Wege steht. Sie
bietet aber das sicherste Bollwerk, das die Verfassung den Be-
strebungen, das Reich aus einem Bundesstaat in einen Ein-