Der Deutsche Bund. 3
des Deutschen Reiches sich vollziehen konnte. Diese geistige
Vorarbeit getan zu haben, ist das unvergeßliche Verdienst der
Männer, die in Schrift und Wort, vom Katheder und von der
Rednerbühne herab nicht abließen, die Idee der deutschen Ein-
heit in immer weiteren Kreisen zu erwecken und zu kräftigen.
Aber sie konnten den Boden nur vorbereiten, nur die Funda-
mente legen. Es bedurfte des Staatsmannes und des Feld-
herrn, um auf diesen Fundamenten das stolze Gebäude des
Reiches zu errichten.
Nach den Befreiungskriegen hatten die Fürsten und freien
Städte Deutschlands auf dem Wiener Kongreß im Jahre 1815
ein völkerrechtliches Vertragsverhältnis, den Deutschen Bund,
geschlossen. In den Bundesverträgen von 1815 und 1820
hatten sich die deutschen Staaten verpflichtet, gemeinsam die
innere und äußere Sicherheit Deutschlands zu wahren und zu
schützen, und sie hatten sich weiterhin verpflichtet, durch gemein-
same Bevollmächtigte, den ständigen Gesandtenkongreß zu
Frankfurt a. M., den Bundestag, einzelne, in den Verträgen
bestimmte gemeinsame Interessen aller Staaten zu fördern. Der
Deutsche Bund hat den einen dieser Zwecke erfüllt. Indem
im Deutschen Bunde die Heeresmacht Preußens und Österreichs
vereint war, hat er während eines halben Jahrhunderts Deutsch-
land — zum erstenmal in seiner Geschichte — den Frieden
gesichert. Aber der Deutsche Bund hat sich als unfähig erwiesen,
dem deutschen Volke die nationale Einheit und die politische
Freiheit zu geben, auf die das deutsche Volk Anspruch erheben
mußte und von Jahrzehnt zu Jahrzehnt immer ungestümer
erhob. Gewiß, die Fürsten und Staatsmänner der Zeit des
Bundestages haben sich schwerer politischer Sünden schuldig
gemacht und über den Fürsten Metternich und seine Schüler
hat die Geschichte den Stab gebrochen. Aber auch freiere und
kühnere Männer, als die waren, die damals Deutschland regierten,
hätten in den Formen des Bundes die gerechten Forderungen
des deutschen Volkes nicht zu erfüllen vermocht.
Auf den Trümmern des heiligen Rönmischen Reiches
deutscher Nation waren zwei europäische Großmächte erwachsen.
Sie hatten wichtige politische Interessen gemeinsam, aber eine
jede von ihnen, öseerreich wie Preußen, wurden mit geschicht-
licher Notwendigkeit dazu gedrängt, nach der Vorherrschaft in
Deutschland zu streben. Das Schicksal forderte von dem
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