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Länder plünderten, um gegen die habsburgischen Landgrafen ein an-
gebliches Erbrecht ihres Herrn durchzusetzen.
Enguerrand stand selbst an der Spitze dieses Heeres und er-
klärte, der Herzog von Brabant als kaiserlicher Reichsvicar habe seine
Ansprüche gebilligt, obgleich nie ein Reichsurtheil in dieser Ange-
legenheit erfolgt war. Der Zeitpunct aber, den Coucy zu seiner
Unternehmung wählte, war in mehr als einem Betracht sehr günstig
denn Kaiser Karl IV. war diesmal außer Stande, den bedrängten
Reichslanden Hülfe zu bringen.
In den vorderösterreichischen Gebieten herrschte damals Herzog
Leopold III., der auch die Landgrafschaft im Elsaß hatte; er war
in langen Streit mit den Gemeinden der Schweiz verwickelt und
daher wenig gerüstet, dem Einbruch der Fremden zu wehren. So
kam es zu cinem verderblichen Krieg, in welchem die Vertheidiger
das verzweiflungsvolle Mittel wählten, ihre Dörfer und Feldfrüchte
selbst zu zerstören, um den Kampf gegen den gewaltigen Feind ledig-
lich hinter festen Mauern und im Bunde mit dem Hunger der eng-
lischen Räuber führen zu können. Herzog Lecpold, der auf die Unter-
stützung der Schweizer vergebens gerechnet hatte, mußte schließlich
die Hand zu einem Vergleiche bieten, in welchem er seinem Vetter
von Coucy die Herrschaften Nidau und Büren abtrat. Aber schon
hatten sich Coucys Schaaren, nachdem sie das Elsaß verlassen, über
den Hauenstein nach der Schweiz gewendet und hier noch schlimmer
geplündert, als im Elsaß zuvor. Winter und Hungerbnoth und die
unverzagten Thaten einzelner Gemeinden halfen dem Lande zur Ruh.
Die Entlibucher mit ihren schweizerischen Helfern schlugen zuerst eine
Schaar von 3000 Mann; am meisten thaten die Berner gegen die
„Gugelhüte“, da sie den Herrn Ifer von Galcis schlugen und mit
dem Spotte eines unvergessenen Volksliedes verfolgten, worin es am
Schlusse heißt:
Herzog Ivo von Galis kam gen Frauenbrunnen,
Der Bär der schrie: „Du magst mir nit entrinnen,
Ich wil euch schlagen, erstechen und verbrennen!“