Bon Willenserklärungen. 14t
§. 39. Eine Willenserklärung also, wenn Jemand durch die Aeußerung des An-
dem, sein Recht gerichtlich versolgen zu wollen, bewogen worden, ist keinesweges für
erzwungen zu erachten #).
§. 40. Die gedrohete Entziehung eines Vortheils, welchen der Drohende dem
Andem zwar zugedacht, aber noch nicht eingeräumt hatte, macht die Willenserklärung
des Bedroheten niemals unkräftig.
§. 41. Der Vorwand, dab Scheu oder Ehrfurcht die Willenserklärung veran-
laßt habe, verdient keine Rücksicht 50).
§. 42. Enzwungene Willenserklärungen sind auch alsdann ungültig, wenn die
Gewalt oder der Zwang nicht von dem, zu dessen Vortheil die Erklärung gereichen
soll, sondern von einem Dritten ) verübt worden.
Hypothek zur letzten Stelle zustehen. Er wünscht von dem Nachbarn ein an seinen Garten stobendes
Ackerstück billig zu erwerben, um seinen Garten auszudehnen. Der Nachbar ist zur Abtrennung dieses
seines besten Ackerstücks nicht geueigt. Da sagt ihm Jener, wenn ihm das Ackerstück nicht für den und
den Preis abgelassen würde, so werde er von seinem Rechte Gebrauch machen und die HOypothek einzie-
hen. Der Schuldner kann die Anschaffungskosten des Geldes nicht erschwingen und hat auch wenig
Realkredit mehr; er sieht sich also bei der Ausführung der Drohung aus seinem Besitzthume vertrieden.
Er wählt das geringere Uebel und Überläßt das Ackerstück für den gebotenen Spot#preis. Ist dieser
gar mit gemeint? Nach dem Zusammenhange, nein. Denn die Bestimmung betrifft das bestimmte
echt, auf welches sich die fragliche Willenserklärung bezieht. Dennoch aber wird auch in dem gesetzten
Falle der Kauf wohl für einen erzwungenen gelten konnen.
49) Die Auslegung der §§. 38 u. 39 und die Vereinigung derselben mit §. 35 ist streitig. Die
38. 38 u. 39 sollen, nach einer Meinung, sich zum §. 35 wie Ausnahme zur Regel verhalten und den
Fall beirreffen, wo durch ein Verdrechen wirklich eine Beschädigung zugefügt worden ist. Dann soll die
Absorderung der Entschädigung unter der Drohung, daß sonst das Verbrechen angezeigt werden würde,
nur als Aeußerung, sein Recht gerichtlich verfolgen zu wollen, nicht als Zwang angesehen werden kön-
nen; sonst würden die 88. 38 u. 39 dem F§. 35 widersprechen. Diese Auslegung miderspricht schon dem
llaren Wortsinne. Die 85§. 38 u. 39 sprechen von der angekündigten gesetzmäßigen Versolgung des
Rechts, also bon der Civilllage; der 8. 35 aber von der Denunziation des Angesprochenen zur Bestra-
fung. Diese Anzeige führt nicht zur Berwirklichung des Rechis; deshalb ißt sie keine solche Drohung,
die nur eine Aeußerung, sich seines Rechts gesetzmäßig zu bedienen und sein Recht gerichtlich verfolgen
zu wollen, enthält. Pr. 2086, v. 30. Okt. 18468. (Eutsch. Bd. XVII, S. 97.)
50) Metus reverentialis. nicht durch Drohungen veraulaßt, kommt nicht in Betracht, auch nach
L 6 C. de bis, quse vi. Von einigen wurde es gleichwohl behauptet, auf Grund des c. 14 X.
de ponsal. Aber die vorlandrechtliche Gerichtspraxis verwarf den Einwand dieser Art Furcht. Hym-
men, Beiträge, VII, S. 84, Nr. 21.
51) Die Eigeuschaft der röm. acilo qucd metus causa als actlo in rem scripta (L. 9, §. 8;
L. 14. d. 5 D duod metus causa IV, 2; L. 4, §S. 33 D. de doli mall exc. XIIV, 4) ist hier aus-
drücklich beibehalten. Ueber die Wirkung des Zwanges und der Furcht bei Willenserklärungen ist die
Praxis nicht im Klaren, und die Erscheinung, daß auch gegen einen Dritten geklagt werden kann,
ist aus einer Nichtigkeit ipso Jure erklärt worden. Zwar ist der hiergegen behauptete Einwand: das
L.R. kenue den Unterschied zwischen der Nichtigkeit ipso jure und der ope exceptionis nicht, nicht
gegründet. (S. Tit. 3, §. 43 u. Anm. Is dazu.) Dennoch ist jener Erklärungsgrund hier nicht
zutreffend; denu die erzwungenen Willeuserklärungen sind an sich rechtsbeständig, aber von Seiten
des Gezwungenen ansechtbar (g. 45). Der juristische Grund, warum die mit Ersolg unternommene
Anfechtung auch gegen den Dritten, sei er in mala oder in bon“s üe — unbeschadet der besouderen
Rechte des Redlichen — wirkt, ist der, daß die hier anwendbaren Rechtemittel in rem restitutoria
find. Die Wirkung ist daher Wiederherstellung des früheren Zustandes. Dieses Ziel kann erreicht
werden, nach Wahl, entweder durch die aus demjenigen Rechtsverhältnisse, welches durch die er-
zwungene Erklärung aufgehoben oder verändert werden soll, entspringende eigenthümliche Klage, in-
dem die erzwungene Erklärung ignorirt, und wenn sie eingewendet wird, mu der Replik quod me-
tus causa unwirksam gemacht wird, oder auch, indem hauptsächlich die Erklärung angegriffen und
solgeweise, nach durchgsserter Rescission, das alte Recht, kummlative oder besonders, geltend gemacht
wird. Detbalt ist in diesem Falle die Klage bald in rem bald in personam, je nachdem die zustän-
dige alte K * die jetzt utiliter gebraucht wird, die eine oder die andere war. L. 9, §86. 4, 6;
L. 21, S. 6 D. quod metus causa (IV. 2); L. 3 C. eodem. Oder durch die prätorische actio quod
metus causa, welche besonders in dem Falle praktische Dienste leistet, wo durch die erzwungene Er-
klärung ein persönliches Rechtsverhältuiß ursprünglich begründet werden soll oder eine nicht schuldie
Leistung abgensthigt worden ist. L. 9, §. 3 D. eodem. Eo versteht sich, daß diese Formeln mchr