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der Reformation nicht blos in Straßburg, sondern in Schwaben,
in Hessen, in ganz Oberdeutschland, um überall „Götzen und Messen
abzuthun und christliche Zucht tapfer an die Hand zu nehmen.“
Dabei hält er den Blick fortwährend auf Frankreich gerichtet und
läßt keine Gelegenheit vorüber, um dort das Evangelium zu fördern.
Seine beste theologische Schrift (eine Psalmenübersetzung mit Com-
mentar) ist bestimmt, die reinere Lehre nach Italien unter einer
angenommenen Maske einzuschwärzen; und in der That gilt er unter
den italienischen Reformfreunden für den gelehrtesten Theologen
Deutschlands. Iag seine ungewöhnliche praktische Befähigung ruft
ihn den Rhein hinab und übers Meer: in Köln und in England
will man sich dieses „vorzüglich auserwählte Rüstzeug Gottes“,
diesen Organisator voll Activität und Feuer nicht entgehen lassen.
Es ist kein Zufall, daß seine letzte umfangreiche Schrift die Grund-
züge einer reformirten Kirchenverfassung enthält.
Der neue Cultus.
Zunächst wirkte Butzers muthiges Beispiel auf alle Diener des
Wortes zu Straßburg — wie sich die reformirten Geistlichen nannten
— um sie aus dem katholischen Coelibat heraus in den Ehestand
zu treiben. «
Butzer war einer der ersten Cleriker überhaupt gewesen, die den
unwiderruflichen Schritt gethan, durch welchen sie die Brücke hinter
sich auf immer verbrannten. Und er hat getlebens seine Kunst des
Unterhandelns gern auch im kleinen als ein leidenschaftlicher Ehe-
stifter bewährt. Noch im Jahre 1523 folgten Mathias Zell und
fünf andere Priester seinem Vorgange, und ihnen schlossen sich im
folgenden Jahre auch Hedio und Capito an.
Von ihren Frauen tritt am meisten Katharina Schüt her-
vor, welche Zell zum Altar führte. Sie war mehr als Magd und
Dienerin, oder wie man sonst das Frauenideal des sechzehnten Jahr-
hunderts bezeichnen mag. Sie stand mit Luther und anderen ge-