Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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lehrten Männern in Briefwechsel. Sie war andererseits eine Be- 
schützerin aller Bedrängten und Verfolgten. „Ich habe — bekennt 
sie selbst — mit meines frommen Mannes Willen und Wohlgefallen 
mich vieler Leut angenommen, für sie geredt und geschrieben, es seien 
die so unserm lieben Dr. Luther angehangen, oder Zwinglin, oder 
Schwenkfelden, und die armen Taufbrüder, reich und arm, weis 
oder unweis, nach der Red des heiligen Pauli, alle haben zu uns 
dörfen kommen.“ In späteren Jahren, als ihr Mann und Capito 
und Butzer und ihre Freunde längst unter der kühlen Erde schlum- 
merten, hat sie das Andenken dieser Männer gegen die Anfeindung 
des orthororen Lutherthums mit Wort und Schrift in Schutz ge- 
nommen. Sie trug in sich das berechtigte Gefühl und sprach es 
offen aus, daß sie mit ihrem echt menschlichen Wirken als gute 
Patriotin gehandelt und zur Ehre der Vaterstadt beigetragen habe: 
„Treulich und einfältig hab ich mit großer Freud und Arbeit Tag 
und Nacht meinen Leib, meine Kraft, Ehr und Gut, dir, du liebes 
Straßburg, zum Schemel deiner Füße gemacht.“ — 
Die Priesterehen waren offene Auflehnung gegen die Kirche, 
weit entscheidender nach außen als die Predigt des Evangeliums. 
Aber vergebens mochte der Bischof die Verheiratheten vor sein Ge- 
richt laden und in den Bann thun. Der Rath schützte sie, weil 
sie ihr Recht auf die Schrift gründeten und das Volk sich laut für 
sie erklärte. Man begriff was ein bürgerlich rechtschaffenes Haus 
werth war. 
Ueberhaupt traten die Geistlichen jetzt in die Reihe der Bürger 
ein. Im Juni 1523 beschloß der Rath, sie zu den öffentlichen 
Lasten herbeizuziehen: die Domherren, die sich nicht überwinden 
konnten, den Bürgereid zu leisten, verließen großentheils die Stadt. 
Im Mai 1524 erlaubte der Rath den Mönchen und Nonnen ihre 
Klöster zu verlassen, ihre Ordenskleider abzulegen und in den Ehe- 
stand zu treten: häufig machten sie von der gewährten Freiheit 
Gebrauch. Um dieselbe Zeit wurden auch die unruhigsten Wort- 
führer und Scandalmacher der Gegenpartei, wie Thomas Murner,
	        
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