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aus der Stadt verwiesen. Alle diese Schritte begleitete eine frucht-
bare populäre Flugschriftenlitteratur mit ihrem Beifall.
Von nun an kam es immer öfter vor, daß die Priester von
der Gemeinde, nicht mehr von der geistlichen Behörde angestellt
wurden. Die Pfarrgemeinde der Gartner zu St. Aurelien war es,
welche sich den ersten evangelischen Pfarrer in der Person Martin
Butzers wählte (vor Ostern 1524). Die materielle Lage der Pre-
diger war im allgemeinen nichts weniger als glänzend. „Drei
Gulden wöchentlich, wovon wir nebst Weib und Kind leben müssen,
das sind unsere Rcichthümer“, schrieb Butzer.
Aber in ihrem Eifer erkalteten sie darum nicht. Sie entwickelten
vielmehr die angespannteste Thätigkeit: predigten unermüdlich, ließen
sich die neue Einrichtung des Cultus angelegen sein, und suchten
das Schulwesen zu heben.
Die nöthigen Aenderungen im Cultus wurden rasch vorge-
nommen, die lateinische Kirchensprache beseitigt, die Messe deutsch
gelesen und wesentlich vereinfacht, das Abendmal unter beiderlei
Gestalt ausgetheilt, die Beichte verworfen, die Taufe deutsch voll-
zogen. Es folgte die Abschaffung der Fciertage und das Wegräumen
ärgerlicher Bilder, Reliquien und Heiligenaltäre: alles geschah sehr
maßvoll, und die Hitzköpfe, welche gern einen Bildersturm veran-
staltet hätten, ließ man nicht aufkommen.
Die Buchdrucker sorgten durch Zusammenstellung der Straß-
burger Kirchenordnungen dafür, daß die Aenderungen im Cultus
dem Volke geläufig wurden und es die nöthigen deutschen Terte
und Lieder in die Hand bekam. Die biblischen Bücher, über die
gepredigt wurde, erschienen einzeln im Druck und wurden wie Tert-
bücher in die Kirche mitgenommen.
Dem geistlichen Gesang diente theils was anderwärts die
neu erwachte Frömmigkeit poetisch producirte; theils that sich in
Straßburg selbst eine ganze Anzahl von Liederdichtern hervor: sei
es Pfarrer wie Capito und Meister Zimprian (Symphorianus Pollio),
sei es Musiker und Organisten, wie Wolfgang Dachstein und