194
bemühte (oben S. 165): seine Gedanken flogen noch höher, er wollte
ein geistiges Centrum der pretestantischen Welt schaffen, eine Aka-
demie auf Kosten sämmtlicher evangelischer Stände. Aber das
ganze Unterrichtswesen war fortwährend ein Gegenstand seiner regsten
Sorge. Er war einer der Scholarchen, welche der Rath 1528 zur
Beaufsichtigung der Schulen einsetzte.
Sollen wir die allgemeinsten Umrisse seiner Persönlichkeit be-
schreiben, so wäre es die Leidenschaftslofigkeit und Lauterkeit des
Charakters, die Hoheit und Idealität der Gesinnung, die volle Ver-
trautheit mit dem geistigen Leben der Zeit und die Doppelstellung
als Diplomat einerseits, als oberste Autorität für Cultus und Unter-
richt andererseits, woraus sich für uns sein Bild zusammensetzt.
Was unn die Schuleinrichtungen betrifft, so ist die Volks-
schule überhaupt eine Frucht der Reformation, und Straßburg ging
schon im Jahre 1525 mit der Errichtung zweier „Lehrhäuser“ voran,
worin deutsch Lesen und Schreiben gelehrt wurde Gegenstände der
Lectüre waren — sehr charakteristisch für die Zeit und den Ort —
das Neue Testament und die Römische Geschichte des Livius in
deutscher Uebersetzung. Christensinn und Römertugend wollte der
Rath in den Herzen der städtischen Jugend pflanzen. Außerdem war
noch die sonntägliche Kinderlehre dazu bestimmt, die Elemente der
Religien auch solchen einzuprägen, die sonst keinen Unterricht ge-
nossen.
Die bestehenden lateinischen Schulen wurden verbefsert und
später vermehrt, die Privatlehranstalten begünstigt, Männer von
pädagogischem Talent und Erfahrung, wie Otto Brunfels aus
Mainz und Hans Witz (Johannes Sapidus) aus Schlettstadt im
Dienste der Stadt angestellt.
Aber auch das Bedürfniß einer höheren Lehranstalt, namentlich
für künftige Theologen, machte sich geltend, und auf Sturms per-
sönliche Anregung traten vorläufig die Prediger dafür ein, indem
Butzer das Neue Testament, Capito das Alte erklärte, Hedio
geschichtliche und theologische Gegenstände übernahm und für andere