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und durch die Provinzialsynode von 1533 ließ er sich die Befugnis
ausdrücklich zuerkennen, in das religiöse Leben einzugreifen. Aber
thatsächlich ist er stets nach den Grundsätzen einer edlen Duldsamkeit
verfahren. Und nur dieser thatsächlichen Duldung haben wir es
zuzuschreiben, dah die Trennung von Staat und Kirche und die
Ferderung unbedingter Toleranz in Straßburg zuerst mit aller Be-
stimmtheit aufgestellt, und schon so frühzeitig ein Gegenstand öffent-
licher Verhandlung werden konnte.
Bor Kaiser und Reich.
Wollen wir ein Gegenbild zu der milden Regierung des
Straßburger Rathes, so brauchen wir uns nur in das Oberelsaß
nach Ensisheim zu begeben. Hier erwarb sich die Habsburgische
Verwaltung den traurigen Ruhm, die ersten elsässischen Märtyrer
gemacht zu haben.
Als im Juli 1524 König Ferdinand seine oberrheinischen Erb-
lande persönlich besuchte, verschärfte er die schon erlassenen Verfol-
gungsbefehle. Und in wenigen Jahren sollen hier über 600 Menschen
des Glaubens wegen hingerichtet sein. Wehe dem, der es wagte,
seine Sache zu vertheidigen! Die Zunge oder die Augen wurden
ihm ausgerissen oder sonstige Verstümmelung drohte, ehe man ihn
aufhing oder verbrannte.
Während im übrigen Elfaß eben wie in Straßburg die geist-
liche Autorität sich verhältnismäßig nachsichtig erwies, sind weltliche
Herren vielfach energische, jeder Gewaltthat fähige Vertheidiger des
Alten gewesen.
So weit der Einfluß der Habslurgischen Regierungsräthe von
Ensisheim reichte; so weit die Macht des Reichsvogtes zu Hagenau
sich erstreckte; so weit der blutige Arm des fanatischen Antons III.
von Lothringen einen Ketzer zu fassen vermochte: so weit hatte das
Evangelium einen schweren Stand. Der größte Theil des Adels
ward durch Ehren und Würden, durch Hoffnung oder Furcht auf