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Es war eine verworrene, für die süddeutschen Protestanten
furchtbare Katastrophe. „Ich habe — schrieb in diesen Tagen der
Straßburger Butzer — unsern Herrn Jacob Sturm mit vielen Thränen
Gott bitten sehen, ihm einzugeben, was er rathen solle, damit es
der Stadt zu Nutzen und Wolfahrt gereiche.“ In diesem verhängnis-
vollen Augenblicke nun war es, wo der Rath von Straßburg einen
Beschluß faßte, der ungeahnte Folgen hatte. Zum erstenmale wandte
sich die alte deutsche Reichsstadt um Schutz gegen den Kaiser an den
König von Frankreich. Nicht diese Stadt allein hatte ihre Zuflucht
zu solchen Mitteln der Verzweiflung genommen. Auch in Fürsten-
kreisen enwog man schon, ob nicht die Hilfe Frankreichs als letztes
Mittel der Vertheidigung gegen den spanischen Kaiser zu suchen
wäre. In Mismuth über die Heimath und vom Kaiser in die
Reichsacht erklärt, verließ der alte Schärtlin mit seinen Söhnen das
theuere Burtenbach, das ihm der Kaiser wegnehmen ließ, und trat
in den Dienst des Königs Heinrich. Auch in Straßburg konnte
man laut sagen hören, es sei besser, sich dem Könige von Frank-
reich in die Arme zu werfen, als von dem Kaiser um das Evange-
lium und die Freiheit des Glaubens betrogen zu werden. Zwar
Heinrich II. war ein Franzose, und nirgende mistraute man den
gallischen Schlichen mehr, als in den Grenzländern: aber war nicht
Karl V. ebenfalls ein Fremder? Mußte man ihm nicht gerade so
gut französische Briefe schreiben, wie nach Paris, wenn man wollte,
daß er sie las; hatte er nicht eben jetzt den schrecklichen Alba, den
leichtsinnigen Farnese, den hochkatholischen Maximilian von Büren,
mit ihren spanischen und italienischen Soldknechten und ihren nieder-
ländischen Reitern in das Reich herein gebracht, was durchaus gegen
die Capitulation verstieß, die er bei seiner Wahl beschworen hatte?
Und war es für die Ehre und Freiheit der deutschen Nation etwa
erträglicher, die Scheiterhaufen, die man noch im obern Elsaß im
Andenken hatte, von spanischen Beichtvätern wieder angezündet zu sehn?
War es da nicht besser, den gallischen Hahn zu rufen, von dem man
wenigstens voraussetzte, daß er fein und manierlich zu Werke gehen werde!