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lateinischen Schulen zu dem Gymnasium, dessen erster Rector er
wurde und dessen Eröffnung im Mai 1538 stattfand. Und dreizehn
Jahre nach Jacob Sturms Tode hatte er die Verwandlung der
hoben Schule in eine Akademie d. h. (um es kurz zu sagen) in eine
unvollständige Universität mit beschränkten Rechten durchgesetzt, welche
er wiederum als beständiger Rector leitete.
Die Schöpfungen Sturms zeichneten sich durch die Entschieden-
heit 2 mit der er die Wiederbelebung des Alterthums anstrekte
ling und seinen Genossen nachsagen konnten, daß sie den Humanie.
mus nationalisirten: so gilt von Johannes Sturm umgekehrt, daß
er die Antike in ihrer Reinheit, allerdings in einer bestimmten ein-
seitig ausgewählten Gestalt, mit der größten Rücksichtslosigkeit wieder
aufzuwecken suchte.
Wer einer Straßburger Schulfeierlichkeit beiwohnte, konnte
manchmal glauben, sich auf dem Forum romanum zu befinden. Da
wurde der Proceß einer römischen Gerichtsverhandlung nachgebildet
mit Advocaten, Richtern, Lictoren und Volk: und ciceronische Reden.
die man vortrug, entfalteten durch die lebendige Vergegenwärtigung
des außeren Vorganges doppelten Glanz. Und wer vollends das
prächtige Theater der Akademie besuchte, das erste stehende Theater
Deutschlands, der konnte alljährlich zur Zeit der Johannismesse die
Gestalten über die Bühne wandeln sehen, welche einst Plautus und
Terenz für die Römer, welche Sophokles, Euripides, Aristophanes
für die Athener geschaffen.
Das alles aber waren nicht Einrichtungen, die ohne Vermitt-
lung dastanden, als eine gelehrte Schöpfung, ohne Boden im Volk.
Hätte sonst auch nur der Magistrat von Straßburg Sinn dafür
gehabt, jenes Theater mit nicht geringen Kosten zu errichten und zu
erhalten? Die akademischen Schauspiele wirkten auf weitere Kreise;
auch wer die Sprache nicht verstand, ergötzte sich an dem was seine
Augen erfassen konnten, wie an einer Pantomime, und ein deutscher
Prolog vor der Vorstellung, deutsche Einleitungen vor den einzelnen
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