Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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über einander: die unterste für die Hölle, die oberste für den Him- 
mel, die Mitte für die Menschen. Dieser mittlere irdische Raum 
ist selbst oft wiederum eingetheilt wie eine Landkarte: die eine 
Bühnenecke heißt z. B. Ninive, die entgegengesetzte heißt Rages: 
der junge Tobias zieht im Angesicht des Yublicums von Ninive 
nach Rages. In Ninive selbst übersieht man gleichzeitig das Innere 
des königlichen Palastes, die Straße vor Tobias Hause und das 
Innere dieses Hauses selbst im Durchschnitt. An jeden dieser 
verschiedenen Orte kann der Dichter jeden Augenblick die Handlung 
verlegen. Während der junge Tobias bei Raguel sein Mittagessen 
verzehrt, können seine Eltern zu Hause ihrer Sehnsucht nach ihm 
Worte leihen. 
Mehr oder weniger paßt diese Schilderung auf alle elsässischen 
Volksschauspiele. Arbeiten von auswärts mit etwas strafferem dra- 
matischen Bau werden hier im Sinne des breitesten epischen Ver- 
laufes umgearbeitet. Es sind gespielte Histerien. Selten, daß ein- 
mal die mehr classisch geschulte sächsische Dramatik einigen schwachen 
Einfluß ausübt. 
Die alten höchst undramatischen Lehrspiele, worin bald ein 
frommer Einsiedler, bald der getreue Eckart die verschiedenen Stände 
nach der Reihe abkanzelt oder worin die wohlbekannten Narren- 
figuren Sebastian Brants und Thomas Murners auftreten, hielten 
sich nicht lange. Auch komische Stoffe, worin die Nürnberger Dra- 
matik so ausgezeichnetes leistet, finden wir nur selten. Novellen hat 
der einzige Martin Montanus dramatisirt. Meist werden alttesta- 
mentliche Geschichten bearbeitet, wie Abraham und Isaac, der ägyp- 
tische Joseph, das Urtheil Salomonis, Tobias, oder neutestament- 
liche Yarabeln wie der verlorne Sohn, der reiche Mann und arme 
Lazarus, der König der seinem Sohne Hochzeit machte. 
Religiöse Polemik, welche anderwärts im Drama zum Theil 
glänzenden Ausdruck fand, begegnet uns hier nicht. Doch aber spielen 
die confessionellen Beziehungen der Zeitgeschichte manchmal herein. 
Dr. Alexander Seitz beutet vor dem schmalkaldischen Kriege (1540)
	        
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