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die Parabel vom Hochzeitsmale zu einer Bekämpfung des Glau-
benszwanges aus, den die Fürsten üben wollen: ein Kaiser, der dem
Tische des Himmelskönigs unfreiwillige Gäste zuführt, wird davon
selbst zurückgewiesen. Die Anspielung auf das, was man von Karl
dem Fünften fürchtete, ist deutlich genug.
Dagegen steht der katholische Priester Johann Rasser zu Ensis-
heim auf Seite der habsburgischen Intoleranz. Als im Jahre 1574
die Juden aus dem österreichischen Elsaß vertrieben wurden, feierte
er dieses Ereignis durch ein auf drei Tage vertheiltes Spiel, worin
derselbe Stoff gegen die Juden ausgebeutet wird, welche auf wieder-
holte Ladung nicht zum Gastmale des Herrn herangekommen sind;
und die ganze Belagerung und Zerstörung von Jerusalem wird uns
in diesem Rahmen vorgeführt.
Das beste elsässische Volksstück, das wir kennen, ist der Joseph
von Thiebold Gart, Bürger zu Schlettstadt (1540).
Die äußere Form ist freilich etwas wunderlich für unseren Ge-
schmack und unsere Gewohnheiten. Wie auf vielen Gemälden über
den Wolken himmlische Gestalten schweben und auf die irdischen
Schicksale herunterblicken; so sieht hier Christus mit Propheten und
Aposteln zu, wie die Ereignisse sich abspielen, und an hervorragenden
Stellen ergreift diese ideale Gesellschaft das Wort, um Parallelen
zwischen der Geschichte Josephs und dem Leiden und der Auferstehung
Jesu zu ziehen.
Solch dramatisirter Bibelcommentar hindert aber den Dichter
keineswegs, in Darstellung menschlicher Leidenschaft so weit, ja viel-
leicht weiter zu gehen, als irgend einer seiner deutschdichtenden Zeit-
genossen. Er strebt nach lebendiger Charakteristik und weiß mit ein
paar Strichen z. B. den unaustilgbaren Neid der Brüder oder eine
geschwätzige zimperliche Duenna trefflich zu vergegenwärtigen. AuchZ
allgemeine Stimmungen und Zustände versteht er als Hintergrund
der individuellen Erlebnisse und Empfindungen mit den einfachsten
Mitteln auszudrücken. Der Glanzpunct seiner Arbeit aber ist der
zweite Act, die Liebe von Potiphars Weib Sophora zu Joseph.