269
Zusammenstellung lehrreicher Geschichten direct auf Sittenbesse-
rung aus.
Daneben hat es Wickram freilich nicht verschmäht, mit seinen
litterarischen Arbeiten auch der bloßen geselligen Unterhaltung —
der Kurzweil, wie man damals sagte — zu dienen. Wo sich irgend
eine Handvoll Leute zusammenfand, sei es in der Kneipe, sei es in
geladenen Gesellschaften, sei es in zufälliger Reisekameradschaft auf
Schiffen oder Rollwagen (Gesellschaftswagen, Omnibus), da war es
hauptsächlich das Erzählen von Anekdoten und Schwänken, womit
man sich amüsirte. Und um für solche Unterhaltungen Stoff zu
liefern, verfaßte Wickram sein Rollwagenbüchlein, eine Sammlung
von kleinen Geschichten, wie sie einst Johannes Pauli herausgegeben
hatte (S. 156). Dem Wickram schloß sich Jacob Frey, Stadtschreiber
zu Mauersmünster, mit einem ähnlichen Unternehmen an, das er
„die Gartengesellschaft“ nannte. Und Martin Montanus, ein Ka-
tholik aus Straßburg, schrieb einen „Wegekürzer“ und einen zweiten
Theil der „Gartengesellschaft“ in derselben Absicht.
Regelmäßig versichern die Verfasser solcher Bücher, daß sie nichts
in dieselben aufgenemmen hätten, was man nicht vor ehrbaren Frauen
und Jungfrauen erzählen könne. Wenn wir die Geschichten trottdem
zum Theil für höchst unflätig erklären müssen, so haben die Frauen
und Jungfrauen des sechszehnten Jahrhunderts dergleichen eben nur
komisch und nicht anstößig gefunden. Und es gereicht dem lebens-
lustigen Elsaß keineswegs zur Unehre, das übrige Deutschland mit
der leichten Waare versehen zu haben, welche bestimmt war, „in den
schönen Gärten, bei den kühlen Brunnen, auf den grünen Wiesen,
bei der edlen Musik“ erzählt zu werden und „die schweren verdrossenen
Gemüther wieder zu recreiren und aufzurichten.“
Ganz anders freilich als die Fabrikanten solches litterarischen
Kleinkrams steht in der Schätzung der Nachwelt ein genialer Mann
wie Johann Fischart aus Straßburg da, zu dem wir uns jetzt
wenden.
Gehen wir ohne Umschweife auf den Kern seiner Persönlichkeit