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los, suchen wir ihn dort auf, wo seine gewaltige Natur unbezähmbar
über alle Dämme fluthet, betrachten wir seine Uebersetzung von
Frankois Rabelais“ unsterblichem satirischen Roman, seine „Geschicht-
schrift“ oder „Geschichtklitterung“ von Gargantua.
Fischart begnügt sich nicht sein Original zu übersetzen, er will
es übertreffen. Aber waren die grotesken Figuren des Franzosen,
die noch heute in so frischen Farben glänzen wie am ersten Tag,
war dieses ungeschlachte Riesenkind Gargantua das unter dem Ruf
„zu saufen! zu saufen!“ das Licht der Welt erblickt, waren Papa
Grandgosier und Mama Gargamella, diese Urbilder ariftokratischer
Schlemmerei und Wüstheit jener Zeit, waren die gelehrten Pedanten
Tubal Holofernes und Janotus de Bragmardo, war der lächerliche
dünkelhafte Welteroberer Mchrochol (Bittergroll, sagt Fischart), war
der humoristische streitbare Mönch Jean des Entommeures (Jan
Onkapaunt nennt ihn Fischart), waren alle diese Ausgeburten einer
colessalen Phantasie, eines unsterblichen Witzes, einer unvergleichlichen
Gestaltungskraft, waren sie überhaupt zu überbieten?
Fischart ist kein Poet, der darauf ausgeht, Menschenbilder plastisch
auszumeißeln. Er schafft wol einmal im unmittelbaren Kampfe sich
ein Zerrbild des gehaßten Gegners, das er mit einem dichten Hagel
satirischer Pfeile überschüttet. Aber das künstlerische Geschäft des
Romandichters und Dramatikers ist nicht seine Sache. In der
gegenständlichen Erfindung kann er mit Rabelais nicht wetteifern, er
versucht es auch nicht; aber wo er französische Sittenschilderungen
durch deutsche vermehren oder ersetzen kann, wo er sich in Reflerie-
nen ergehen darf, wo es sich um Verspottung thatsächlicher Lebens-
zustände handelt, wo es auf Witz, Laune, Humer im einzelnen an-
kommt, wo es gilt einen lustigen Einfall wie durch Spiegelreflexe
zu verzehnfachen und zu verhundertfachen, wo er tausend ungeahnte
Kräfte und Heimlichkeiten unserer Sprache aus den entlegensten
Schachten und Schlupfwinkelchen hervorlocken, in Fluß bringen und
wie neckische sprühende Wasserkünste im Kreuzundquerregen über den
erstaunten Leser ausgießen kann: da hat Fischart die schon wunder-