Full text: Geschichte des Elsasses von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart.

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hannes der französischen Majestät, schon drei Tage vorher mit 
Pauken und Fahnen in die Stadt kam, vom Münster Besitz ergriff, 
denselben in demonstrativer Weise von neuem weihte, und dann bei 
dem Empfange des neuen Königs that, als wäre er der Haushem in 
Straßburg, der Bischof, dessen Heerde daselbst in diesem Augenblicke 
höchstens einen Winkel des großen Münsters zu füllen im Stande 
war. Je mehr aber die katholische Partei bei der Anwesenheit Lud- 
wigs XIV. in den Vordergrund trat, und je mehr die Feierlichkeiten 
einen katholischen Charakter recht absichtlich zur Schau trugen, desto 
stiller wurde es unter den Bürgern der alten deutschen Stadt, und 
ihre Geschichtschreiber wollen behaupten, daß keiner gerufen habe: Es 
lebe der König. · 
Noch war Ludwig XIV. von seinem Straßburger unblutigen 
Triumphzuge nicht heimgekehrt, als in ganz Deutschland ein lauter, 
aber desto ohnmächtigerer Schrei der Entrüstung sich erhob. Selbst 
französischen Gesandten fiel in Regensburg und Würzburg die Er- 
bitterung auf, die sich der Deutschen bemächtigt hatte. In den po- 
litischen Kreisen schien man der Ueberzeugung zu sein, daß es nun 
zu einer seltenen Einigung unter den Ständen des deutschen Reiches 
kommen müsse, um diese Schmach zu rächen; der französische Be- 
vollmächtigte bei der deutschen Reichsversammlung wußte nur mit 
der Hoffnung zu trösten, daß diese Stimmung in den Formalitäten 
der Reichsverfassung begraben werden würde. Auch die populäre 
Litteratur hatte sich des Gegenstandes, wie selten in jenen Zeiten 
geschah, mit Eifer bemächtigt. Hoffmannswaldau bietet seinen ganzen 
epigrammatischen Witz auf, um Ludwig XIV. zu geißeln, der den 
Deutschen sagen könne: „Ich hab Euch nicht bekriegt, ich hab Euch 
mur betrogen.“ Das Volkslied erhebt sich in allen möglichen Klage- 
weisen, schon vor der Katastrophe in Warnungen, nachher in bitterem 
Unmut. Aber auch an Satiren gegen Straßburg fehlt es nicht, 
aus denen man erfieht, daß sich die Meinung sehr rasch verbreitete, 
es sei Verrath im Spiel gewesen, und die Straßlurger müßten nun 
ihre Untreue am Reiche büßen. Ein „letzter Reichs-Abschied von der
	        
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