380
Gellert und Florian sind die Vorbilder, denen er nacheifert, und
Gellert scheint ihm als der größte deutsche Dichter überhaupt zu
gelten. Dabei bleibt er auch, nachdem Goethes Gestirn schon auf.
gegangen war: wenigstens gegen die Genies, gegen den Shakspeare-
Cultus, gegen den Werther verhält er sich ablehnend.
Ueberall zeigt er sich als rechter deutscher Privatmensch jener
Zeit, der das Evangelium der Genügsamkeit und Mäßigkeit ver-
kündigt und nicht müde wird, die Reize eines friedlichen und ver-
borgenen Daseins zu preisen. Das schließt aber sein Interesse an
öffentlichen Dingen nicht aus. Vielmehr ist es eine hervorstechende
Eigenthümlichkeit seiner Fabeln, daß sie meist direct und ausgesprochen
der politischen und religiösen Aufklärung dienen.
Der Dichter gehört zu den Gemäßigten, den Männern der rechten
Mitte. Er bekreuzigt sich vor Inquisition und Hexenprozessen, vor
Intoleranz und Verfolgungssucht. Aber andererseits stellt er die
„hilosophie“ als staatsgefährlich hin, dem „Philosophenorden“ sagt
er nach: „Ihm war das Rauben und das Morden, nur nicht der
Aberglaube recht.“ Und Lessings Wolfenbüttler Fragmente begeistern
ihn zu der Aeußerung:
v Gelahrte Herrn Fragmentenschreiber,
O werdet lieber Straßenräuber.
Auch politisch erkennen wir in ihm leicht den correcten Liberalen,
der gegen die Privilegien, die Regalien und Orden, gegen das Sol-
datenwesen, die Eroberungssucht und den Krieg überhaupt ankämpft,
der die Sklaverei verabscheut und mit Empsrung von dem Menschen-
schacher deutscher Fürsten redet, der sogar den josephinischen Erxperi-
menten unbefangen gegenüber steht und den Despotismus in jeder
Form verwirft:
Mir grauet, edler Freund, vor unsern goldnen Zeiten:
Das Gute, das ein Fürst deopotisch thut,
Und wär' es noch so schön und noch so gut,
Empört so sehr als Grausamkeiten.
Wie er früher die Tyrannen warnte vor dem Sklaven, der die