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sich nicht in Schöpfungen, sondern nur in Hemmungen.
Tröstliche Auskunft für die Zukunft, für die deutsche Zukunft des
wiedergewonnenen Landes!
Wo die meiste provinzielle Originalität steckt, da steckt die meiste
Opposition gegen das Franzosenthum. Die Mütter, die ihre Kinder
mit „Schlof, Kindele, schlof“ einwiegen; die alten Weiberchen, die
den wilden Jäger, das wilde Heer, das Nachtkalb in den Lüften
schnaufen hören; die Bauern, in deren Bergen Riesen be raben liegen
in deren Sennhütten zur Winterszeit die Zwerge cinziehen; die
deutschpredigenden Pastoren in den Landgemeinden und nicht zuletzt
die treuen protestantischen Vertreter theologischer Wissenschaft, die
sich in Frankreich so isolirt fühlen mußten — sie alle, alle find
unsere Verbündeten, gleichviel ob sie wollen oder nicht, sie stehen
unter der Herrschaft geistiger Mächte, die sie früher oder später
nothwendig in unsere Arme treiben müssen. —
Als im Jahre 1836 der Hegelianer Eduard Gans das Elsaß
besuchte, da fand er das Wirkliche vernünftig und erklärte mit un-
fehlbarer Miene gegenüber den verwegenen Deutschthümlern der
Freiheitskriege: „Solche Rückeinverleibungsversuche gehören zu den
politischen Unmöglichkeiten.“ Unterdessen wurden wir nicht müde zu
singen: „O Straßburg, o Straßburg, du wunderschöne Stadt“ und
„Zu Straßburg auf der Schanz da ging mein Trauern an“. Und
wie viele sangen es mit dem Accente der Wehmuth und Sehnsucht.
Aber die Lieder waren ursprünglich ganz anders gemeint und die
Soldaten, welche sie etwa um 1700 erfanden, hatten eher einen
Fluch auf den Lippen als einen Segenswunsch für die alte deutsche
Reichsstadt. Straßburg war die nächste französische Festung an der
Grenze. Dahin entläuft der deutsche Taugenichts seinen Eltern, um
sich amwerben zu lassen. Vergebens kommt die Mutter und fleht:
„Ach Hauptmann! lieber Hauptmann! Gebt mir den Sohn heraus.“
Und wenn ihr mir gebet
Selbst noch so vieles Geld,
Muß doch dein Sohn jetzt sterben
In weiter breiter Welt.