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sätze gelöst werden. In Italien ist es überall die städtische Ty-
rannis, welche die Geschlechterherrschaft ablöst: die Visconti und
Medizeer erreichten auf den Schultern der niedrigen Volksmassen ihre
Macht über die Parteien des Adels. In Frankreich ließ der Ge-
schlechterkampf die Städteherrschaft wie eine reife Frucht in den
Schooß des allschützenden Königthums fallen. In Deutschland allein
hat man Formen gefunden, welche die städtische Selbständigkeit
mit den Volksrechten versshnte. In Köln und Worms, in Frank-
furt und Lübeck findet sich romanischer Geschlechterhaß der Blauen
und Rethen wie im Süden und Westen, aber daß die Masse des
Volkes in organisirter Gestalt eintritt in das politische Leben der
Stadt, darin liegt der deutsche Charakterzug, welcher die Ent-
wickelung deutscher Bürger unterscheidet von wälschem Schicksal.
Wird Straßburg, die wichtige Grenzstadt, diesem deutschen, oder
wird es dem wälschen Gange politischen Lebens gefolgt sein?
Im Elsaß war deoch noch der Einfluß deutscher Kaisermacht in
erfreulicher Weise sichtbar: als in Hagenau der Streit zwischen den
Geschlechtern und Zünften entbrannte, wandte man sich noch einmal
an die Quelle des alten Rechts und erinnerte sich an Reich und
Reichsgewalt. Denn wie sollte der Stadtrath, jene oberste Regie-
rung, die einst von den Kaisern gegründet wurde, noch ferner bestehn,
wenn alle die Zünfte nach eigenem Recht und Gesetz sich unabhängig
machen wollten. „Wenn ihr, sprach Kaiser Ludwig zu seinen Bürgern,
aus jedem Handwerk zwei in den Rath setzet, so seid ihr die Mehr-
zahl und euer Einfluß wird dann überwiegend.“ Was der Fürst
rieth, ward ausgeführt, und Ludwig bestätigte am 6. März 1332
die neue Ordnung der Dinge.
Den Straßlurgern ward nicht zu rechter Zeit ein rechtes Wort
von solchem Mund zu Theil; was hier geschah, mußte in ureigener
Weise vollzoegen werden. Das entscheidende Ereignis, wenige Monate
nach der Hagenauer Sühne, ist ven den Straßburger deutschen Chro-
niken in herrlicher Weise beschrieben und es ist, wie wenn ein stolzer
Zug des Bewußtseins ihnen die Feder führte, daß nicht jedem Volke