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In Erwin von Steinbach hat die elsässische Baukunst ihren
Gipfel erreicht. Erwin ist der größte Architekt des Elsasses und
vielleicht des ganzen deutschen Mittelalters, er steht als ein minde-
stens ebenbürtiger Geist neben dem Meister des Langhauses und der
Façgade vom Kölner Dom.
Unter allen Landschaften Deutschlands finden wir das Elsaß am
dichtesten mit älterer Architektur übersät. Hier wurde am inten-
sivsten während des Mittelalters gebaut. Schon zur räömischen Zeit
muß es nicht arm an Denkmälern gewesen sein, und die Kunst-
tradition blieb lange lebendig.
Das Straßburger Münster, das schon im neunten Jahrhundert
von einem Dichter als glänzender Bau gerühmt wird, war eine alt-
christliche Basilica, worin die Nische der Apsis unmittelbar an das
Querschiff sich ansetzte. Und wenn auch der damalige Bau gänzlich
verschwand, so ist doch die Grundanlage geblieben und wurde sogar
auf eine andere Straßburger Kirche (St. Stephan) übertragen.
So trifft man auch sonst noch antike und altchristliche Reminis-
Rundbau Karls des Großen ist wie anderwärts auch hier einmal
von einem Nonnenkloster (Ottmarsheim) im elften Jahrhundert nach-
geahmt worden. Als um diese Zeit eine allgemeine Baulust ganz
Deutschland ergriff und der romanische Styl seine große Blüte er-
lebte, da zeichnete sich das Elsaß durch frühe Aufnahme und Aus-
bildung des Gewölbebaues, durch großartige und mannigfaltige Thurm-
anlagen, durch originelle Entwickelung der Vorhallen und Portale
aus. Im Gegensatz zu den schlankeren und mehr aufstrebenden Bauten
des Niederrheins, finden wir hier vielfach schwere und düstere Formen.
Dabei im ein elnen neben den Grundzügen der deutschen Bauschule
manche fremdartige Bildungen, die man den benachbarten romani-
schen Provinzen, vielleicht sogar Italien, entlehnt glaubt. Das Elsaß
ist auch in der Kunst ein Mittelland, und der Zusammenfluß man-
nigfaltiger Elemente erzeugt oft eine eigenthümliche, ja abenteuer-
liche Originalität. Die allerthümliche Säulenbasilicu der Georgs-