Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

100 Die Winterschlacht in Masuren Februar / März 1915 
  
  
Bahn von Marggrabowa über Ratschki nach Suwalki vermochte diesem Zu— 
stande nicht entscheidend abzuhelfen. Die Straßen und Wege waren zu 
schlecht, die Witterung zu ungünstig und das Pferdematerial zu stark an- 
gestrengt. Lastwagen kamen kaum auf den Chausseen mit ihren dünnen 
und ausgefahrenen Steindecken vorwärts. Sie standen auch nur in ge- 
ringer Zahl zur Verfügung. Die Armee mußte in Verhältnisse kommen, 
in denen sie leben und sich wieder erholen konnte. Ein Zurückschwenken 
der 10. Armee ergab sich hieraus mit zwingender Notwendigkeit. 
Schon zu Beginn der Operationen war der Ausbau einer rückwärtigen 
Stellung hart östlich Augustow—Suwalki bis hinauf an den Njemen an- 
geordnet. Er wurde sofort durch Armierungstruppen in Angriff ge- 
nommen, sobald wir das Gelände erobert hatten. Diese Stellung — 
wenn auch erst in ihren Anfängen — bot jetzt einen gewissen Rückhalt. Die 
10. Armee erhielt Befehl, mit ihrem rechten Flügel in die vorbereitete 
Linie zurückzuschwenken. Ob sie ihren linken ebensoweit oder nur bis zur 
Linie Kalwarija—Pilwischki zurücknehmen würde, wo jetzt schon ihr Flan- 
kenschutz stand, blieb der 10. Armee überlassen, ebenso die nähere Aus- 
führung der Rückwärtsschwenkung. Es war zu übersehen, daß der Feind 
scharf nachdrängen würde. 
Gleichzeitig hatte die 10. Armee den Befehl erhalten, Kräfte frei zu 
machen, die weiter westlich dringend gebraucht wurden. Die großen russi- 
schen Gegenangriffe gegen unsere lange Flanke an der Südgrenze West- 
und Ostpreußens hatten begonnen. Endlich beschäftigte uns der Russe auch 
nördlich des Riemen. Rings um das deutsche Land östlich der Weichsel 
tobte der Kampf. 
In dem polnischen Weichselbogen war Ruhe. 
Die Offensive der k. u. k. Armee zum Entsatz von Przemysl hatte keinen 
Erfolg gehabt. Der Russe war sehr bald zu Gegenangriffen übergegangen. 
Das Schicksal Przemyfsls sollte sich erfüllen. Wir standen an der ganzen 
Ostfront im Zeichen schwerer russischer Angriffe. 
V. 
Nachdem der Augustower Wald aufgeräumt und die Verwundeten 
zurückgeschafft waren, nahm General v. Eichhorn Anfang März seinen 
rechten Flügel gleich in die befohlene Stellung, den linken nördlich des 
Augustower Waldes etwa bis Seiny und südlich Kalwarija zurück. Er 
wollte die nachfolgenden Russen von neuem angreifen und durch Um- 
fassung ihres rechten Flügels schlagen. 
Der Gedanke war gut und entsprach der Entschlußfreudigkeit des 
Armee-Oberkommandos. In den Tagen vom 9. bis 11. März wurden
	        
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