102 Die Winterschlacht in Masuren Februar / März 1915
Es mußten immer mehr Truppen, die die Winterschlacht geschlagen hatten,
hier eingesetzt werden. Nach und nach kamen die 2. Inf. Div., die 75. Res.-
Div., die 10. Ldw. Div. und die 4. Kav. Div. von der 10. Armee. Sie ge—
nügten aber auf die Dauer nicht; auch die 76. Res. Div. von der 10. Armee
wurde dorthin geschoben, nachdem sie schon eine Zeitlang westlich des Orshitz
beim General v. Gallwitz eingesetzt war. Entsprechend dem Charakter des
Geländes mit seinen weiten ebenen Sumpfflächen und den dazwischen-
liegenden mit Waldstücken und dürftigen Kiefern bedeckten Engen lösten
sich die Kämpfe hier in viele Einzelhandlungen auf. Sie stellten besonders
an die niedere Führung schwere Aufgaben. Der Mann kämpfte gegen den
Mann. Und wenn auch die örtlichen Krisen kein Ende nehmen wollten, so
blieben wir doch beim Abschluß der Kämpfe, die sich in den April hinein-
zogen, vorwärts der Grenze stehen.
Auch westlich des Orshitz war nach Mitte Februar die Kampfhandlung
in vollem Gange. General v. Gallwitz, ein unternehmender und gedanken-
reicher Soldat, ein Mann mit vielseitigen Interessen auf allen Gebieten des
Lebens, war einer der besten Führer unseres Heeres. Er verstärkte die
dünne Front westlich Mlawa und drückte hier Mitte Februar die Weichsel
aufwärts bis über Plotzk vor. Wir kamen dem Russen auch hier in seinen
Plänen zuvor und stießen in seine Versammlung hinein. Inzwischen waren
auch auf dem linken Flügel der Armeeabteilung Gallwitz um Neidenburg—
Willenberg die deutschen Verstärkungen zur Stelle. Die Lage erschien so,
daß durch frisches Zugreifen in Richtung Prassnysch die vor dem
XVII. R. K. stehenden feindlichen Truppen geworfen werden konnten. Ein
Vordringen der Armeeabteilung Gallwitz gegen den Narew war dann
möglich. Dies schien damals noch strategisch bedeutungsvoll. Der Angriff
gegen Ossowjetz und den oberen Bobr war noch nicht eingestellt. Jeder
Teilerfolg des Generals v. Gallwitz verbesserte die Gesamtlage und die
Aussichten für weitere Kämpfe. Wir befanden uns in hoher Spannung.
General v. Gallwitz griff am 22. Februar mit Teilen des
XVII. R. K., dem I. R. K. und der 3. Inf. Div. in Richtung Prassnysch
an. General v. Morgen nahm die überaus stark befestigte Stadt am 24.
in frischem, energischem Zugreifen. Alles stand sehr günstig, als er-
kannt wurde, daß starke russische Kräfte zwischen der Straße Zjechanow—
Mlawa und dem Orshitz im Anmarsch waren und General v. Morgen
bereits überflügelten. Fliegeraufklärungen waren in jenen Tagen nicht
möglich gewesen; wir waren auch überaus schwach mit Fliegerformationen
ausgestattet. Unsere Kavalleriepatrouillen konnten nicht durchkommen,
schließlich standen sich überall Infanteriepostierungen gegenüber. Vor dem
Angriff sibirischer Korps mußte Prassnysch am 27. Februar unter recht er-
heblichen eigenen Verlusten aufgegeben werden, General v. Morgen ging