Operationspläne 114
gestatteten. Dieser russische Vorstoß war überraschend gekommen und ge-
wann zuerst gegen die Grenze erheblich Boden. Es war nicht zu übersehen,
ob er einen größeren Angriff gegen den nur schwachen Nordflügel der
10. Armee einleiten sollte. Das Oberkommando dieser Armee zog schnell
Teile verschiedener Divisionen bei Wilkowischki unter dem General Beck-
mann zusammen, der den Feind sehr bald zurückschlug. Wir fühlten eine
gewisse Erleichterung, als die Lage sich dort wieder entspannte. General
Beckmann zog später über den Njemen, wo er der Armee gleichen Namens
unterstellt wurde.
Die Vorarbeiten für die Operationen über Kowno sollten beginnen,
als Seine Majestät den Generalfeldmarschall und mich für den 1. Juli nach
Posen beschied. Der Kaiser bestimmte hier auf Vorschlag des Chefs des
Generalstabes nach Anhörung des Vortrages des Generalfeldmarschalls
die Fortführung der Offensive in Polen, insonderheit daß die 12. Armee den
vor ihr befindlichen Feind zu durchbrechen und gegen den Narew vorzudrin-
gen habe, während die 9. Armee und General v. Woyrsch gegen die Weichsel
vorgehen sollten. Die verbündeten Armeen würden im übrigen den Vor-
marsch zwischen Bug und Weichsel fortsetzen.
Die Oberste Heeresleitung glaubte durch diese Operationen einen
Teil der noch im Weichselbogen stehenden russischen Armee vernichtend zu
treffen. Ich mußte meine Gedanken zurückstellen und hoffte, daß die von
mir gewünschte Operation durchgeführt würde, wenn General v. Gallwitz
den Narew erreicht hatte und auch zum frontalen Nachdrängen gekommen
war. Es schien selbst dann für ihre Ausführung noch Zeit zu sein.
Das Vorbringen unserer Linien in Litauen und Kurland durch die
dort schon befindlichen Truppen konnte die Operation günstig einleiten.
Allerdings mußten wir darauf verzichten, andere Kräfte, die schon für
Kurland in Aussicht genommen waren, dorthin zu verschieben und Kowno
zu nehmen.
IV.
Den Weisungen der Obersten Heeresleitung entsprechend, wurde nun
der Narewübergang in umfassendster Weise vorbereitet und nicht nur die
12., sondern auch der rechte Flügel der 8. Armee hierzu derart bereitge-
stellt, daß die 12. Armee zwischen Weichsel und Schkwa mit dem Schwer-
punkt auf Pultusk—Roshan vorzudringen, die 8. Armee zwischen Schkwa-
und Pissamündung den Fluß zu erreichen habe.
General v. Gallwitz beschloß, den ersten Angriff zu beiden Seiten von
Prassnysch zu legen. Ihm standen zum Stoß zur Verfügung:
I. A. K. mit der 2. und 37. Inf. Div.,
XIII. A. K. mit der 3. und 26. Inf. Div. und 4. Garde-Div.,
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