Der Angriff über den Narew 117
Armee Mitte Juli ebenfalls den Angriff begonnen und war weit in öst-
licher Richtung vorgedrungen.
Ich vertrat nunmehr die Ansicht, daß es Zeit sei, die von mir ge-
wünschte Operation am unteren Njemen auf Kowno und von da in den
Rücken der Russen mit starken Kräften auszuführen. Die Truppen konnten
der Armeeabteilung Woyrsch, der 9., 12. und 8. Armee entnommen werden.
Schon war es spät geworden, die Wegnahme von Kowno erforderte Zeit,
und der russische Rückzug in Galizien war bereits weit gediehen. Es er-
schien aber noch möglich, Großes, jedenfalls Größeres zu erreichen als bei
der im Gange befindlichen Operation. Diese konnte nicht anders enden als
mit einem rein frontalen westöstlichen Zurückdrängen des Feindes.
Die Oberste Heeresleitung behielt ihren bisherigen Standpunkt bei.
Es blieb bei einer Operation über Weichsel und Narew. Wir durften die
dabei beteiligten Armeen nicht zugunsten der 10. und Njemen-Armee
schwächen. Der 12. und 8. Armee wurde durch die Oberste Heeresleitung
je eine neue Division aus dem Westen zugeführt. Ob die Oberste Heeres-
leitung aus Gründen, die der allgemeinen Kriegslage entsprangen, sich
nicht mehr in eine so weite Operation einlassen wollte, wie sie von uns
vorgeschlagen wurde, vermag ich nicht zu übersehen.
Die 9., 12. und 8. Armee blieben in ihrer von der Obersten Heeres-
leitung festgelegten Stärke in der früheren Vormarschrichtung. Die Weg-
nahme von Nowo Georgiewsk wurde eingeleitet. Zugleich beschlossen wir
Kowno anzugreifen und die Rjemen-Armee in ihrem Angriffe zu belassen;
beides so gut es ging.
V.
Die Bewegungen der verbündeten Armeen in Polen östlich der
Weichsel führten, wie ich erwartet hatte, zu einem frontalen Nachdringen
mit ununterbrochenen Kämpfen. Auch hier wurden immer wieder vergeb-
lich Versuche gemacht, zu einer Umfassung der Russen zu kommen. Die
russische Armee wurde zwar in Bewegung erhalten, aber sie entkam. Sie
machte häufig mit starken Kräften erbitterte Gegenangriffe und fand in
den vielen versumpften Fluß= und Bachabschnitten immer wieder Gelegen-
heit sich zu ordnen und erfolgreich längeren Widerstand zu leisten.
Die Anstrengungen unserer Truppen waren allein durch die ununter-
brochene Bewegung während vieler Wochen auf schlechten Wegen und bei
meistens ungünstiger Witterung außerordentlich groß. Bekleidung und
Schuhzeug rissen ab. Die Verpflegung wurde schwierig, Unterkunft gab
es kaum, da der Russe systematisch Verpflegungsmittel und Ortschaften
zerstörte oder verbrannte. Er trieb das Vieh mit sich fort, um es dann an
der Landstraße verenden zu lassen. Die mitgeschleppte Bevölkerung wurde