Die Einnahme von Nowo Georgiewsk 121
nun vernehmen, daß es mit dem abgekürzten Angriffsverfahren nichts
wäre; was in dem einen Fall richtig sei, sei in dem anderen falsch. Dies
Schwanken wurde schnell überwunden. Die Nordostwerke wurden unter
nachhaltiges Feuer genommen und erstürmt. Dann erfolgte der Angriff
auf der ganzen Front nördlich der Weichsel. Unsere Truppen, die im
wesentlichen nur aus Landsturm und Landwehr bestanden, faßten fest zu;
Nowo Georgiewsk fiel am 19. August.
Seine Mojestät der Kaiser besichtigte gleich darauf die Festung und
dankte den Truppen. Der Generalfeldmarschall und ich waren dazu be-
sohlen. Ich konnte mich von der verheerenden Wirkung der schweren Ar-
tillerie ebenso überzeugen, wie von der schlechten Bauart der Werke.
Die freigewordenen Truppen wurden jetzt mit Zustimmung der
Obersten Heeresleitung der 10. Armee zugeführt, die dadurch die gebotene
Verstärkung leider sehr spät erhielt. Die schwersten Batterien sollten gegen
Grodno eingesetzt werden. Kowno war inzwischen bereits gefallen.
Das russische Generalgouvernement Polen war Ende August ganz in
den Händen der Verbündeten. Deutschland und Österreich-Ungarn teilten
sich, wie bisher schon, in die Verwaltung. Die Grenze westlich der Weichsel
war die Pilitza, östlich ging sie etwa am unteren Wjepsch. Es entstand das
deutsche Generalgouvernement Warschau, das General v. Beseler erhielt,
und das k. u. k. Militär-Gouvernement Lublin. Die Teilung ist den gemein-
samen Interessen der Verbündeten schädlich gewesen: viele dringend er-
forderliche Maßnahmen sind an ihr gescheitert.
Der Oberbefehlshaber Ost hatte seit dem Herbste 1914 die Verwaltung
des besetzten Polens geführt. Er trat sie jetzt an General v. Beseler
ab und bekam dafür im Nordosten überreichlich mit Verwaltungssorgen
zu tun.
Nowo Georgiewsk wird vielleicht die letzte Gürtelfestung gewesen sein,
die nach einer Einschließung genommen wurde. Nicht, daß ich an Ab-
rüstung glaube. Über diesen Wahn wird die Welt recht bald belehrt wer-
den. Die Menschheit kommt, man mag dies bedauern, nie dahin. Aber
die Zeit der Gürtelfestung ist vorüber. Sie kann der modernen Artillerie
und deren ungeheuren Munitionsmengen Eleichwertiges nicht entgegen-
stellen und muß erliegen. Landesbefestigungen werden nötig bleiben, sie
werden aber mehr den Charakter lang ausgedehnter Grenzstellungen
tragen. «
VII.
Als am 10. August die 12. Armee die Marschrichtung mit dem rechten
Flügel bugaufwärts erhielt, hing sie gegen die 8. Armee nach Westen
zurück, die zu beiden Seiten des Narew im Vorgehen gegen Lomsha war.