Oberste Heeresleitung und Reichsregierung 5
großes amerikanisches Flottenprogramm ausführte: er würde es für un-
vernünftig halten, wenn Amerika sich in seinem Flottenprogramm einer
zukünftigen Weltpolitik schon jetzt anpassen würde, da über diese Welt-
politik noch keine Entscheidung getroffen sei.
In gleichem Sinne schrieb ebenfalls im November 1918 der Vorsitzende
des Soldatenrates der 4. Armee:
„Möge sich die Revolution in manchen Köpfen mit Idealen kon-
struieren lassen. Wer vorm Feinde stand, muß sich sagen, daß die Welt-
anschauung der Entente augenblicklich noch dem Materialismus huldigt."
Jetzt sieht die erstaunte und in ihren Idealen betrogene Welt klar.
Das betörte deutsche Volk aber bezahlt den Wahn mit seinem Leben.
Die Oberste Heeresleitung vertrat die Ansicht, erst solle die Menschheit
sich ändern, dann könnten auch wir die Waffen niederlegen und an Ver-
ständigung denken; sonst sei mit Sicherheit vorauszusehen, daß wir
Schaden leiden würden. Die Friedenspalme ist keine Wehr gegen das
Schwert. Solange die Menschen und namentlich unsere Feinde so
blieben, wie die Menschheit bisher war, hieß es für Deutschland und
jedenfalls für den Generalfeldmarschall und mich als verantwortliche mili-
tärische Führer, das Schwert festzuhalten und es immer wieder von neuem
zu schärfen. Es war daher unsere ernste Pflicht, gegenüber der Regierung
auf der Durchführung der Kriegsnotwendigkeiten zu beharren und zu ver-
suchen, sie mit der Entschlossenheit zu durchdringen, die wir als allein
richtig ansehen mußten.
In allen Fragen wandte sich die Oberste Heeresleitung an die ver-
fassungsmäßigen Faktoren. Der Krieg verlangte von ihr in jedem Augen-
blick schnelle und weitgehende Entscheidungen, er forderte und förderte die
Entschlußkraft. In Berlin blieb man in dem gewohnten Friedensgleise.
Antworten, auch in den wichtigsten Fragen, gingen oft erst nach Wochen
ein. Infolge dieses ungemein schleppenden Geschäftsganges der Berliner
Behörden und des Nichterkennens der Kriegsnotwendigkeiten wurde der
gegenseitige Verkehrston zuweilen hart. Wir haben dies bedauert. Uns
brannte das Feuer auf der Seele. Es mußte schnell gehandelt werden,
denn es galt oft, unermeßlichen Schaden zu verhüten.
Im Frieden war die Reichsregierung allen Behörden gegenüber aus-
schlaggebend. Das Auswärtige Amt fühlte sich über jeder Kritik stehend.
Nur schwer konnten sich die Reichsämter daran gewöhnen, daß mit Kriegs-
ausbruch in der Obersten Heeresleitung eine Stelle erstanden war, die
nicht nur die Verantwortung mit dem Reichskanzler teilte, sondern so
Ungeheures trug, daß sie um so mehr zu tatkräftigem Handeln gezwungen
wurde, je weniger sie dies in Berlin vorfand. Ich hätte gewünscht, daß
auch die Regierung diesen einfachen Vorgang klar erkannt hätte. Die