Die Erstürmung von Kowno 123
acht Wochen. Die 12. Armee mußte dabei weit nach Süden ausholen. Wie-
viel günstiger wäre es gewesen, wenn an Stelle dieser Bewegung sich der
Angriff über Lomsha—Grodno ermöglicht hätte. Das konnte nicht sein.
Aber auch eine Operation nördlich Grodno vorbei, mit der Wegnahme von
Kowno verbunden, hätte erheblich schneller und wirkungsvoller diese
Gegend erreicht und mehr bewirkt, wenn sie mit voller Kraft selbst erst in
der ersten Augusthälfte geführt worden wäre.
Vorübergehend schien es, als ob die Oberste Heeresleitung in dieser
Lage den Vormarsch nach Osten einstellen wollte. Sie führte starke Teile der
Armee des Generalfeldmarschalls v. Mackensen, später auch der 12. und
8. Armee, nach dem Westen und Südungarn. Sie ließ aber den einmal
durch die inzwischen erfolgte Wegnahme von Kowno und unser Vordringen
in Litauen und Kurland begonnenen Operationen freien Lauf.
VIII.
Die Erstürmung von Kowno war eine unerschrockene Tat. Um sie zu
ermöglichen, mußte die 10. Armee in der Mitte und auf dem rechten
Flügel ihrer so überaus weiten Stellung noch immer mehr und mehr ver-
dünnt werden; nur so konnten wir westlich Kowno Angriffstruppen von
einer gewissen Stärke zusammenziehen. Der Oberbefehlshaber OÖst und
General v. Eichhorn nahmen diese Spannung an den übrigen Teilen ihrer
Front auf sich. Der General hatte sich bei mir schon dauernd beklagt, daß
die 10. Armee zu lange untätig wäre, und ging nun mit Freude an die
neue Aufgabe heran. Er und sein Chef, Oberst Hell, waren Männer von
hoher Verantwortungsfreudigkeit und Kühnheit. General v. Eichhorn war
ein Offizier mit blendenden geistigen Eigenschaften und ein Erzieher seiner
Truppen in vorbildlichem Sinne.
Das verstärkte XXXX. A. K. unter General Litzmann sollte den An-
griff durchführen.
Der General war ein Feuerkopf mit großer Einwirkung auf den
Soldaten. Seinen Kriegsruhm begründete er bei dem Durchbruch von
Brsheshiny am 22. bis 25. November 1914. Er hatte einst gegen das Garde-
offizierkorps geschrieben, aber bei diesem Durchbruch doch erkannt, welche
Kraft von diesem Offizierkorps ausging. Ich selbst bin mit Stolz Linien=
Infanterist gewesen und habe in dem Leibgrenadier-Regiment Nr. 8 ein
Regiment kennen gelernt, in dessen Offizierkorps eine besondere Tradition
wie in den Garde-Offizierkorps sich forterbte. Solche Traditionen sind be-
rechtigt, dürfen aber nicht zur Bevorzugung und Überhebung führen; dann
fangen sie an, verstimmend zu wirken und sind zu verwerfen.
Erschwerend für den Angriff auf Kowno war der Mangel an schwerstem