Das Ringen um die Flanke 131
das Wetter waren schlecht und wirkten hemmend. Die Infanterie-Divisionen
konnten nicht schnell genug die Kavallerie-Divisionen in ihren weit vor-
geschobenen Stellungen ersetzen. Bei ihrer geringen Feuerkraft vermochten
sie Smorgon nicht dauernd zu halten. Dieses wurde von Wilna aus am
19. nach tapferster Gegenwehr der 1. Kav. Div. wieder entrissen.
Der Russe hatte die ihm drohende Gefahr erkannt und führte in die
Gegend östlich Dünaburg mit der Bahn Verstärkungen heran, die sehr bald
südlich Dünaburg auftraten. Die Bahn über Polotzk nach Molodetschno
wurde nicht benutzt. Dagegen vermochte er von Lida und Slonim her eine
große Rückwärtsschwenkung mit Infanterie-Divisionen in Richtung Molo-
detschno, mit Kavallerie-Divisionen in Richtung Dokschitzy auszuführen. Der
große russische frontale Rückzug aus Polen nach Westrußland hinein war
leider schon so weit gediehen, daß die aus ihm nach Norden einschwenkenden
Truppen die Wilija noch rechtzeitig erreichten. Die deutsche Umfassung kam
hier zum Stehen. Ihre Kraft reichte nicht aus, den feindlichen Widerstand
zu überwinden. Der Russe ging nun seinerseits über die Wilija nördlich
Molodetschno zum Gegenstoß über, vermochte aber ebenfalls nicht vorwärts
zu kommen. Inzwischen war der deutsche Angriff auch in der Front lang-
sam vorgeschritten. Diesem Drucke gegenüber vermochte der Russe
Wilna nicht zu halten und wich nun auf der ganzen Front kämpfend lang-
sam zurück. Die deutsche Armee hatte noch die Kraft in der Front, die
Gegend hart westlich Smorgon, die westliche Beresina und die Gegend von
Baranowitschi und Pinsk zu erreichen.
Während des langsamen Vordrückens von Wilna auf Smorgon war
mir klar geworden, daß die Operation abgebrochen werden müsse. Eine
Fortsetzung des Angriffs war ausgeschlossen. Gegenüber der feindlichen
Kavallerie die sich von allen Seiten immer kräftiger gegen unseren Durch-
bruch herandrängte, war der linke Flügel der 10. Armee in seiner weit vor-
geschobenen Stellung auf die Dauer nicht zu halten. Wir mußten uns für
den Winter einrichten und fanden einen günstigen Rückhalt in der Linie
des Wischnjew-, Narotsch= und Dryswiaty-Sees.
Während neu eintreffende Teile bei der Niemen-Armee am Dryswjaty-
See eingesetzt wurden, schwenkte der Nordflügel der 10. Acmee in die ange-
gebene Linie zurück. Die 10. Armee wollte, wie seinerzeit bei der gleichen
Bewegung vor Grodno, den nachdrängenden Feind aufhalten, sie ver-
zögerte sich aber reichlich lange dabei und wurde zum Schluß östlich des
Narotsch-Sees noch unsanft angefaßt.
Gegen unsere neue Front brandete oie russische Flut an, dann glättete
sio allmählich die See. Die k. u. k. Armee hatte inzwischen den Versuch
gemacht, nordöstlich Lutzk mittels Durchbruchs zur Umfassung zu kommen.
Ein Gegenstoß hatte sie zurückgeworfen. Bei Dünaburg hielten die Kämpfe
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