146 Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916
sollte, er machte uns aber keine Schwierigkeiten, wir konnten uns auch sprach-
lich mit ihm verständigen, während den Polen, Litauern und Letten gegen-
über das fast nirgends der Fall war. Diese sprachlichen Schwierigkeiten
fielen sehr erschwerend ins Gewicht und können nicht hoch genug eingeschätzt
werden. Wir kannten auch infolge Mangels jeder einschlägigen deutschen
Literatur im übrigen die Verhältnisse von Land und Leuten nur wenig und
sahen uns einer neuen Welt gegenüber.
In einem Gebiet, so groß etwa wie Ost= und Westpreußen, Posen und
Pommern zusammen, standen wir vor einer ganz gewaltigen Aufgabe:
alles war neu aufzubauen und einzurichten. Zunächst waren im Rücken
der Armee Ruhe und Ordnung zu gewährleisten und die Spionage auszu-
schließen. Das Land mußte aus dem Lande selbst ernährt und für die
Lebensmittelversorgung der Armeen und der Heimat sowie für die sonstige
Ausrüstung der Truppen und unsere Kriegswirtschaft nutzbar gemacht
werden. Unsere wirtschaftliche Lage machte dies bei der feindlichen
Blockade gebieterisch zur Pflicht.
Kulturaufgaben sollten, so rasch es ging, in Angriff genommen werden,
zur Lösung irgendwelcher politischen Probleme war die Zeit noch nicht ge-
kommen.
Die Etappeninspektionen, die an erster Stelle zur Verwaltung des
besetzten Gebietes berufen sind, blieben auch hier damit betraut.
Die Etappenkommandanten behielten ihre militärischen Aufgaben,
die Ruhe im Lande aufrecht zu erhalten. Zu diesem Zwecke verfügten sie
über die Etappentruppen und wurden bei der Spionageabwehr durch Feld-
polizei unterstützt.
Für die Landesverwaltung erhielten die Etappeninspektionen eine
besondere Organisation, die einem Verwaltungschef unterstand, der, mit
besonderen Befugnissen ausgestattet, eine hohe Verantwortung gegenüber
seinem Etappeninspekteur trug.
In den Etappeninspektionen fanden die Etappenkommandanten und
die Verwaltungsorgane ihre oberste Spitze. Es war aber nicht zu ver-
meiden, daß sich Reibungsflächen ergaben, und da, wo das der Fall
ist, bleiben Reibungen bei uns Deutschen sicher auch nicht aus. So war es
auch hier. Aber schließlich wurde das alles durch vortreffliche Etappen-
inspekteure überwunden. Die Generäle v. Harbou, Madlung und Frhr.
v. Seckendorff haben sich als Landesverwalter bewährt.
In dem ganzen Gebiet des Oberbefehlshabers Ost mußte eine höhere
Dienststelle alle Verwaltungs= und Bewirtschaftungsfragen zusammenfassen
und ausgleichen. Für ein Generalgouvernement war kein Raum, ganz
abgesehen davon, daß es eine unzweckmäßige Schöpfung ist; die Armeen
mußten ein eigenes Etappengebiet haben. Der Generalquartiermeister