Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

Angriffe der Russen 175 
  
um nicht aufgerollt zu werden. Auch hier fehlte Brussilow die Kraft zu 
energischem Nachstoß. 
Die weiter eintreffenden Verstärkungen kräftigten die Front zu beiden 
Seiten der Bahn Kowel —Lutzk, nahmen weiter südlich die 4. Armee auf 
und bildeten eine starke Angriffsgruppe etwa um Gorochow hinter dem 
nach Südwesten zurückgeschwenkten Flügel. Die gespannte Lage gestattete 
nicht, das Eintreffen aller Verstärkungen abzuwarten und einheitlich an- 
zugreifen, auch wenn die Heeresgruppe Linsingen dies immer wieder an- 
strebte. Die vor allem von deutschen Truppen während der zweiten Juni- 
hälfte und in den ersten Julitagen ausgeführten Gegenangriffe hatten nur 
örtliche Erfolge. 
Der russische Angriff am Dujestr hatte die k. u. k. Divisionen des Gene- 
rals v. Pflanzer-Baltin vom Nordosten her in Richtung Okna (östlich Za- 
leschtschykiy —Sniatyn durchbrochen und sehr bald südlich des Stromes er- 
heblich Gelände gewonnen; Czernowitz fiel. Bis Ende Juni hatte der Russe 
die Linie Tlumatsch am Dujestr—Kolomea—Kimpolung erreicht und war 
darüber hinaus im Vordringen gegen die Karpathenpässe. 
Die österreichische Front südlich des Dnjestr, ursprünglich zwischen dem 
Strom und der rumänischen Grenze östlich Czernowitz nur schmal, hatte 
sich um ein Vielfaches verbreitert. Die langen neuen Linien waren jetzt 
daher nur ganz dünn besetzt. 
Bei den außerordentlich schlechten Bahnverbindungen konnten Ver- 
stärkungen besonders schwer dorthin gebracht werden. Auch deutsche 
Truppen fuhren an den Dujestr und in die Karpathen. Sie kamen 
vom Oberbefehlshaber Ost und aus dem Westen. Alles, was an frischen 
Divisionen daselbst eintraf, genügte kaum, die Front zu halten. Unter diesen 
Umständen waren Gegenangriffe nicht am Platze. Sie wurden allerdings 
von unseren Truppen versucht, mußten aber ohne Ergebnis bleiben. Die 
reine Abwehr wäre hier von vornherein richtiger gewesen. Der Russe 
kämpfte aber gleichfalls mit außerordentlichen Schwierigkeiten des Nach- 
schubes und war nicht stark. Das half der k. u. k. Armee mehr als ihr 
eigener Widerstand. Dem völligen Versagen unserer Bundesgenossen süd- 
lich des Dnjestr zufolge mußte sich General Graf v. Bothmer entschließen, 
Anfang Juli seinen rechten Flügel von Butschatsch ab etwa bis zur Koro- 
pietzmündung zurückzunehmen. Im übrigen hatte die Armee, dank seiner 
hervorragenden Einwirkung auf die ihm unterstehenden k. u. k. Truppen, 
alle Angriffe der Russen abgeschlagen. 
Während die russischen Stöße gegen die österreichisch-ungarische 
Armee noch die ersten Anfangserfolge zeitigten, und der größte Teil der 
Reserven des Oberbefehlshabers Ost und der Heeresgruppe Generalfeld- 
marschall Prinz Leopold von Bayern an die Front der Verbündeten abge-
	        
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