Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

178 Das Hauptquartier des Oberbefehlshabers Ost in Kowno Oktober 1915 bis Juli 1916 
  
nicht so im Bilde. Wir wußten nur, daß jetzt auch Generaloberst v. Boehm- 
Ermolli bei Brody Angriffe erwartete, und daß der Russe seinen Angriff 
zwischen Dujestr und den Karpathen mit aller Kraft fortsetzte und weiter 
in dem Gebirge nach dem Kamme zu Gelände gewann. General Graf 
Bothmer war wie ein Fels in der brandenden See weiterer feindlicher An- 
griffe im wesentlichen Herr geblieben. 
Es war klar, der Russe holte von neuem zu einem gewaltigen Schlage 
aus, während wir weiter an der Somme stark bluteten und die k. u. k. 
Armee an der italienischen Front hart bedrängt wurde. Gewitterstim- 
mung lag in der Luft, die Nerven arbeiteten aufs äußerste. 
XIV. 
In den schweren und spannungsvollen Tagen, die wir in Kowno 
seit Anfang Juni durchlebt hatten, standen wir mit der Obersten Heeres- 
leitung in engster Verbindung. Wir hatten immer wieder auf die Not- 
wendigkeit eines einheitlichen Oberbefehls an der Ostfront hingewiesen. 
Gewiß war es zur Not auch so gegangen, aber es hatte sich doch auch ge- 
zeigt, daß das Verschieben von Reserven reibungsloser sich gestalten mußte, 
wenn nur ein Wille an der Ostfront herrschte. Schon Ende Juni waren 
der Generalfeldmarschall und ich nach Pleß befohlen, um unsere Ansichten 
über die Lage im Osten klarzulegen. Sie konnte nur als sehr ernst 
bezeichnet werden. Wir kamen selbstverständlich auf die Schaffung 
eines einheitlichen Oberbefehls zurück und betonten dabei die Notwendigkeit 
einer noch schärferen Vermischung der k. u. k. mit den deutschen Verbänden. 
Auch die Front des Oberbefehlshabers OÖst könne an ruhigen Stellen öster- 
reichisch-ungarische Truppen einsetzen. Den größten Wert legten wir dar- 
auf, daß die Ausbildung der k. u. k. Armee, vor allem der Infanterie, nach 
wirklich neuzeitlichen Grundsätzen erfolge. 
Die Fahrt nach Pleß brachte für die Regelung des Oberbefehls keinen 
Erfolg. Die Widerstände waren noch zu groß. Dagegen faßte die 
Oberste Heeresleitung den Entschluß, durch Abgaben aus dem Westen 
und Osten für die österreichisch-ungarische Front drei Divisionen zu bilden. 
Sie sollten etwa Anfang August in Polen verwendungsbereit sein. Mit dem 
erbetenen Austausch von deutschen und k. u. k. Divisionen wurde begonnen. 
Wir erhielten eine abgekämpfte k. u. k. Infanterie-Truppen-Division, die bei 
der 10. Armee die 10. Landwehr-Division freimachte. Diese wurde sofort 
General v. Linsingen zugeführt. Eine zweite k. u. k. Division, die zugesagt 
war, konnte in der Notlage des Kampfes nicht mehr herausgezogen werden. 
Die österreichisch-ungarische Armee hatte ihre Ersatzgestellung derartig 
geregelt, daß jedem Infanterie-Regiment, und zwar allen gleichzeitig, in
	        
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