Die Krise im Osten 179
bestimmten Zwischenräumen ein sogenanntes Marschbataillon, aus Ersatz-
mannschaften bestehend, zugeführt wurde. Diese Bataillone gliederten sich
oft als Kampfbataillone den Regimentern an. Regimenter, die keine
Verluste hatten, zählten zuweilen fünf bis sechs statt drei Bateillone,
während andere sehr niedrige Stände besaßen. Es war ein Ausgleich
am Platz, der naturgemäß bei den vielen Nationalitäten der k. u. k.
Armee ungemein schwer zu bewirken war. Etatsunterschiede der Truppen
blieben auch weiterhin bestehen. Bedenklicher war es, daß die Aus-
bildung der Marschbataillone der Infanterie eine recht ungenügende
war. Sie lieferten nur hohe Gefangenenzahlen. In der Ausbildung dieser
Marschbataillone mußten wir einsetzen. Wir taten es auch. Dabei sind wir
auf gute und brauchbare Soldaten gestoßen; der Offizier allerdings, über
den die k. u. k. Armee damals noch verfügte, war weich und nicht in dem
strengen Pflichtbewußtsein großgezogen, wie es bei uns deutschen Offizieren
zu finden ist.
Am 27. Juli wurden wir nochmals nach Pleß befohlen. Die Nach-
richt über den Fall von Brody, die an diesem Tage eintraf, veranlaßte das
k. u. k. Oberkommando, seinen bisherigen Standpunkt teilweise fallen zu
lassen. Es willigte ein, daß der Generalfeldmarschall v. Hindenburg den
Oberbefehl bis südlich Brody übernahm. Die Armeen der Generale Graf
Bothmer und v. Pflanzer-Baltin bildeten bereits eine Heeresgruppe unter
dem Erzherzog-Thronfolger mit General v. Seeckt als Chef. Wir verblieben
unter dem Oberbefehl der deutschen Obersten Heeresleitung. Die Heeres-
gruppe Erzherzog Karl unterstand nach wie vor dem k. u. k. Armee-Ober-
Kommando. Zu einem ganzen Entschluß hatte man sich noch nicht durch-
ringen können. Immerhin bot die jetzige Gliederung so wesentliche Vor-
teile, daß ich sie als einen großen Fortschritt ansah.
Wir kehrten zunächst nach Kowno zurück. Ich nahm Abschied von der
Stätte, wo ich eine glückliche Zeit friedlicher Arbeit und schließlich so kritische
Stunden verlebt hatte. Viele treue Mitarbeiter ließ ich in der Verwaltung
zurück. Der militärische Stab blieb so, wie er zusammengesetzt war.
Ich hatte vorgeschlagen, zunächst die Armee-Ober-Kommandos der bis-
herigen k. u. k. Front aufzusuchen, um ein eigenes Urteil über die Lage zu
gewinnen. Bestimmungen über ein neues Quartier waren noch nicht ge-
troffen. Ein Verbleiben in Kowno kam nicht in Betracht, es lag zu weit
nördlich. Vorläufig wollten wir in unserem Eisenbahnzug wohnen.
General v. Eichhorn übernahm unter Beibehalt seines Oberkomman=
dos über die 10. Armee den Heeresgruppenbefehl über die Armeegruppe
Scholtz und die 8. Armee. Die 12. Armee trat unter den Befehl der Heeres-
gruppe des Generalfeldmarschalls Prinzen Leopold von Bayern.
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