Full text: Ludendorff, meine Kriegserinnerungen 1914-1918

  
Der erweikerke Oberbefehl an der Ostfronk 
August 1916. 
Hierzu Textskizze Nr. 8 Seite 174. 
J. 
m 3. oder 4. August waren wir in Kowel, dem Hauptquartier des 
Generals v. Linsingen. Sein Chef war Oberst Hell, der bisherige 
Chef der 10. Armee. Er hatte sein neues Amt im Juli übernommen 
und war für diese so ungemein schwierigen Verhältnisse der richtige Mann 
am richtigen Fleck. 
Die Ostfront hatte wieder schwere Tage hinter sich. Der gewaltige 
russische Ansturm hatte sich inzwischen entladen. Das Ende der Kämpfe 
konnte gar nicht abgesehen werden. Die Truppen waren stark angegriffen. 
Eine Ablösungsmöglichkeit lag nur in ganz engem Rahmen vor. Es standen 
an der Ostfront zuviel Truppen mit sehr alten Jahrgängen, die wir nicht 
gern an den Hauptkampfstellen einsetzten. 
Während die Kämpfe bei Riga abflauten, griff der Russe am 25. Juli 
abermals nördlich Baranowitschi, und zwar dort an, wo er k. u. k. Truppen 
vermutete und seinerzeit Erfolge errungen hatte; diese waren inzwischen 
durch einen deutschen Gegenangriff eingeschränkt worden. Die am 25. und 
27. mit großer Wucht geführten russischen Angriffe waren ohne jedes Er- 
gebnis geblieben. 
Die Kämpfe bei der Heeresgruppe v. Linsingen hatten sich bis in die 
zweite Julihälfte hingezogen. Sie hörten nie völlig auf. Es lag schwer 
auf der Heeresgruppe. Die Front war nicht fest. 
Am 28. Juli hatte der große russische Angriff längs des Stochod be- 
gonnen und mit unerhörter Heftigkeit bis zum 1. August abends ange- 
dauert. Der Russe hatte eine vielfache Überlegenheit zusammengefahren 
und sie ohne Rücksicht auf Verluste immer von neuem eingesetzt. An vielen 
Stellen hatte es sehr kritische Augenblicke gegeben. Deutsche Land- 
wehrtruppen mußten den in österreichisch-ungarische Linien eingedrunge- 
nen Feind zurückwerfen; selbst deutsche Truppen verloren in ihren dünnen 
Linien Gelände, die Verluste waren schwer. Schließlich wurde doch unter 
Aufbietung aller Kraft die Front gehalten. 
Der Kampf hatte sich auch nach Norden auf die Armeegruppe Gronau 
ausgedehnt, die sich mit ihren schwachen Kräften weit auseinandergezogen
	        
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